Erdbebenüberwachung

Die Sektion «Erdbebenüberwachung» ist für eine Reihe von zentralen operativen Aufgaben zuständig. Geleitet wird die Sektion von Dr. John Clinton.

Gemeinsam mit dem ELAB-Team (das die Feld- und Kommunikationsinfrastruktur installiert und wartet) steuert die Gruppe «Erdbebenüberwachung» die nationale seismische Infrastruktur der Schweiz (CHNet). Diese umfasst das Haupt-Überwachungsnetz (SDSNet, ursprünglich bestehend aus Stationen mit breitbandigen und kurzperiodischen Sensoren, die aber mittlerweile nachgerüstet werden, damit sie gleichzeitig über Breitband- und Starkbebenstationen verfügen) und das vorwiegend urbane Starkbebennetz (SSMNet). Alle Stationen nutzen Sensoren von hoher dynamischer Reichweite mit grossen Frequenzbandbreiten und sind mit modernen 24- oder 26-Bit-Datenloggern digitalisiert, die Daten in Echtzeit übertragen und die Latenzzeit auf ein Mindestmass reduzieren sollen. Das Team für Erdbebenüberwachung trägt dafür Sorge, dass die Datenübermittlung von diesen mehr 200 Stationen in Echtzeit erfolgt, sämtliche in Zürich eintreffenden Daten verwaltet und verarbeitet und deren Qualität kontrolliert wird, damit die Daten für die Erstellung eines Erbebenkataloges und in der nachgelagerten Forschung genutzt werden können. Stefan Heimers und Roman Racine sind im Team hauptsächlich für diese Aufgaben zuständig.

Das Team „Seismisches Netzwerk“ arbeitet auch mit den Kollegen vom SED zusammen, um den Instrumenten-Pool zu verwalten, der sowohl für Forschungs- als auch für Notfallzwecke genutzt werden kann. Der Instrumenten-Pool besteht aus mehr als 50 Breitbandstationen. Wichtige Projekte der letzten Zeit waren Einsätze u. a. in Bhutan, Grönland, Griechenland und Mittelamerika. Die meisten Instrumente sind derzeit in den verschiedenen Alpenländern als Teil des AlpArray-Projekts im Einsatz. Zu den weiteren Projekten gehören Stationen zur Überwachung von Schweizer Gletschern und von Stellen mit grossen Erdrutschen. Der Nachbeben-Pool unter der Leitung von Dr. Toni Kraft besteht aus rund zehn jederzeit einsatzbereiten hochwertigen Infrastruktursystemen, die binnen Stunden nach einem erheblichen Erdbeben in der gesamten Schweiz eingerichtet werden können. Die meisten Stationen im Instrumenten-Pool sind mit zellularen Echtzeit-Kommunikationssystemen ausgestattet und fügen sich nahtlos in unser Überwachungssystem ein.

Die Echtzeitüberwachung der Infrastruktur des seismischen Netzwerks ist eine der Schlüsselfunktionen der Gruppe. Unsere zentrale Aufgabe besteht darin, die Erdbebentätigkeit in der Schweiz mithilfe der Überwachungsstationen unseres dichten nationalen Netzes zu beobachten, das durch temporäre Stationen und entsprechende, von Partnern in Nachbarländern betriebenen Einrichtungen ergänzt wird. Wir sind für die Echtzeit-Verarbeitung von Erdbebendaten in der Schweiz zuständig. Zu diesem Zweck nutzen wir hauptsächlich SeisComP3, eine sehr beliebte und weit verbreitete Open-Source-Lösung zur Überwachung von Erdbebentätigkeit, die wir kontinuierlich verbessern. Unser aktives Forschungsteam steuert die betriebliche Konfiguration des Systems und evaluiert neue Methoden für die Messung und verbesserte Charakterisierung von Erdbebentätigkeit (Dr. Tobias Diehl). Überdies entwickeln wir neue Ansätze für Systeme zur Erdbebenfrühwarnung und die rasche Charakterisierung von Erdbebenquellen (Dr. Maren Böse und Dr. Frédérick Massin); wir berechnen starke Bodenbewegungen und ihre Auswirkungen (Dr. Carlo Cauzzi) und überwachen die induzierte Seismizität. Ein wesentliches Anliegen unserer Gruppe ist es, diese Ansätze in einer Betriebssoftware umzusetzen. Darüber hinaus überwachen wir den Zustand des Netzwerks und versuchen mit Unterstützung durch das ELAB-Team, seine Leistungsmerkmale zu optimieren.

Obwohl unser Hauptaugenmerk auf der Schweiz liegt, entwickeln wir auch Techniken, die andernorts angewendet werden können, und arbeiten mit Stellen in aller Welt zusammen, um Erdbebenfrühwarn- und Überwachungssysteme zu entwickeln und zu installieren, wie z. B. in Kalifornien, Mittelamerika und Chile. Die von uns entwickelten Open-Source-Softwaremodule zur Erdbebenfrühwarnung, darunter ein Anzeigetool für die Erdbebenfrühwarnung, sind mit SeisComP3 kompatibel und können daher problemlos von vielen seismischen Netzwerken in aller Welt übernommen werden.

Zusätzlich zum Betrieb einer Infrastruktur für die Echtzeitüberwachung leitet unsere Gruppe auch das Seismologen-Team des SED für Notfälle, das auf gemessene bedeutende Ereignisse reagiert und für eine rasche manuelle Verifizierung sorgt. Überdies erstellt und pflegt dieses Team den nationalen Erdbebenkatalog, der innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen aktualisiert wird. Philipp Kästli vom IT-Team entwickelt und betreibt die Alarmierungssoftware für Erdbeben, die seismische Ereignisse, die möglicherweise für die Schweiz von Bedeutung sind, an Medien, Behörden, Öffentlichkeit, den Schweizerischen Erdbebendienst (SED) sowie an zuständige Wissenschaftler meldet. Überdies informieren wir die schweizerischen Behörden über grosse teleseismische Ereignisse, die erhebliche lokale oder regionale Auswirkungen haben könnten

Die Forschungsgruppe «Seismotektonik» wird von Dr. Tobias Diehl geleitet und beschäftigt sich mit der Analyse von seismischen Daten, um den Untergrund und den tektonischen Kontext besser zu verstehen. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf dem alpinen Bereich und dem alpinen Vorland der Schweiz, die Gruppenmitglieder sind aber auch in zahlreichen internationalen Projekten engagiert, beispielweise in Bhutan und im Projekt AlpArray. Die Aufzeichnungen von lokalen, regionalen aber auch teleseismischen Erdbeben lassen sich zum Beispiel nutzen, um in einer sogenannten tomographischen Analyse die Geschwindigkeitsstruktur im Untergrund in 3D aufzulösen und gleichzeitig diese Beben so präzise wie möglich zu lokalisieren. Dadurch sind indirekt auch Rückschlüsse auf Gesteinseigenschaften und physikalische Parameter (Dichte, Temperatur) möglich. Aus der sogenannten Abstrahlcharakteristik von Erdbeben kann man des Weiteren Rückschlüsse auf Bruchvorgänge und Spannungsverhältnisse im Untergrund ziehen.

Die InSight-Mission der NASA wird im November 2018 wissenschaftliche Ausrüstung, darunter ein Breitband-Seismometer (SEIS), auf den Mars bringen. Gestützt auf unsere Fachkompetenz und Infrastruktur bei der Erdbebenüberwachung und die Verarbeitung seismischer Daten auf der Erde übernimmt die Gruppe «Erdbebenüberwachung» die führende Rolle beim Marsquake Service, der anhand der von SEIS aufgezeichneten Daten einen Katalog der seismischen Ereignisse erstellen wird. Dr. John Clinton, Mitforscher beim InSight-Projekt, wird diesen Dienst koordinieren und dabei von Dr. Maren BöseDr. Savas Ceylan und Dr. Fabian Euchner unterstützt. Der Marsquake-Service wird sich sowohl mit der automatischen und überprüften Ereignismessung als auch mit der Charakterisierung lokaler Bebentätigkeit und teleseismischer Ereignisse sowie mit Meteoriten-Einschlägen befassen. Ziel dieses Dienstes sind die Erstellung eines umfassenden genauen Ereigniskataloges für den Mars, der an sich ein entscheidendes Ziel der InSight-Mission ist, und die Bereitstellung wichtiger Eingangsdaten für die Entwicklung von Krusten- und Tiefenstrukturmodellen des Mars. Wir passen fortschrittliche, mit Einzelseismometern durchgeführte Analysetechniken an, die für Anwendungen auf der Erde entwickelt wurden, um sie für die Charakterisierung von Seismizität auf dem Mars nutzbar zu machen. Der Marsquake-Service wird gemeinsam vom SED und der SEG-Gruppe an der ETH Zürich unter Leitung von Professor Domenico Giardini, einem Mitforscher beim InSight-Projekt, Dr. Martin van Driel und Dr. Amir Khan betreut. Dieser Dienst ist zudem Teil einer breiter angelegten SEIS-Wissenschafts- und Serviceinitiative, die von Professor Philippe Lognonné am Pariser Institut für Erdphysik (IPGP) koordiniert wird.