In Europa

Erdbeben in Europa sind im Wesentlichen auf Spannungen in der Erdkruste zurückzuführen. Bei auf natürliche Weise auftretenden Erdbeben rühren diese Spannungen von der Plattentektonik her. Die Eurasische Platte umfasst einen grossen Teil des europäischen und asiatischen Festlands und bewegt sich in Relation zu den benachbarten Platten im Süden (Afrikanische Platte), im Südwesten (Anatolische Mikroplatte) und im Westen (Nordamerikanische Platte). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Mikroplatten zwischen Europa und Afrika. Hierdurch ergibt sich rund um das Mittelmeer, einschliesslich der Alpenregion, ein besonders komplexes Bild. Aufgrund der Mikroplatten treten Erdbeben in Europa innerhalb eines grossen Gebiets auf, nicht nur entlang einer klar definierten Zone.

Im Folgenden sind die sechs Haupterdbebengebiete in Europa aufgelistet und werden mit den Gründen für die Beben kurz beschrieben.

Diese grosse Platte, die den bedeutendsten Einfluss auf das Erdbebengeschehen von heute hat, kollidierte vor etwa 65 Millionen Jahren mit Europa. Wie bereits erwähnt haben verschiedene kleinere Platten und Ozeanbecken zwischen den beiden Platten ein sehr komplexes Muster der seismischen Aktivitäten im Mittelmeerraum erzeugt. Heute stehen Europa und Afrika in direktem Kontakt in Südgriechenland, wo sich Afrika unter Europa schiebt (Subduktion). Nördlich dieser Subduktionszone liegt der Graben von Korinth, der sich in nord-südlicher Richtung öffnet. Griechenland ist das Land in Europa, das dem grössten Erdbebenrisiko ausgesetzt ist.

Östlich der Subduktionszone Afrika-Europa befindet sich die Anatolische Platte, die weitgehend das Gebiet der Türkei abdeckt. Ihre nördliche, längsseits zu Europa verlaufende Kante wird Nordanatolische Verwerfung genannt, an der sich im 20. Jahrhundert verschiedene grosse Erdbeben ereigneten (Magnitude über 7). Eine Besonderheit ist, dass diese Erdbeben sich in der Vergangenheit progressiv von Ost nach West verschoben und sich so Istanbul annäherten.

In der westlichen Nachbarschaft Europas liegt die Nordamerikanische Platte, die regelmässig kleinere Erdbeben am Meeresboden auslöst. In Island ist die Situation interessanter. Dort erzeugt ein Hotspot an der Plattengrenze eine Insel und eine komplexe Zone tektonischer und vulkanischer Aktivitäten. Island ist aber nicht der einzige Ort in Europa, an dem es vulkanische Aktivitäten gibt. Die besten Beispiele sind der Ätna und der Vesuv

Westlich der Subduktionszone Afrika-Europa befindet sich die Adriatische Mikroplatte, die weitgehend das Gebiet Italiens abdeckt. Diese Platte gehörte früher zu Afrika und wurde von Afrika in Europa hineingeschoben, was die Erhebung der gesamten Alpen verursachte. Ein sehr bekannter Teil der Adriatischen Platte ist der Gipfel des Matterhorns. Die Alpen sind ein kurzer, aber äusserst komplexer Gebirgszug mit weit verteilten Erdbebenaktivitäten in Italien, Frankreich, der Schweiz, Deutschland, Österreich und Slowenien. Das grösste bekannte alpine Ereignis ist ein historisches Erdbeben im Jahr 1348 mit einer Magnitude von 7, das an der Grenze zwischen Italien und Österreich in der Nähe von Villach stattfand. Das bekannte Erdbeben von Basel im Jahr 1356 (Magnitude 6,6) ist etwas Besonderes, da es sich an der Nahtstelle zwischen Alpen und Rheingraben ereignete. Das mit der Adriatischen Platte verbundene Land mit der grössten Erdbebengefahr ist Italien, nicht wegen der Alpen, sondern wegen der Apenninen, die sich über die gesamte Halbinsel ziehen.

Östlich der Alpen befindet sich eine Region mit verschiedenen kleinen Mikroplatten und Gebirgszügen: die Panonische Tiefebene (das heutige Ungarn und seine Nachbarländer), die Karpaten im Norden und Osten (Slowakei, Ukraine, Rumänien) und die Dinariden im Süden (der grösste Teil der Balkanhalbinsel, alle Länder von Slowenien bis nach Griechenland und zur Türkei). Die Bewegung dieser Platten hat sich verlangsamt, und die Gebirgszüge sind heute nur mässig aktiv, mit Ausnahme des südöstlichen Teils der Karpaten. Er wird Vrancea-Zone genannt und liegt in Rumänien, wo der letzte Teil der Lithosphäre, der auf der Oberfläche keinen Platz mehr hatte, in die Tiefe sinkt. Im 20. Jahrhundert gab es dort vier grosse Erdbeben (Magnitude über 7), das letzte im Jahr 1997. Die Erdbeben gefährden die Stadt Bukarest und können einen Tsunami im Schwarzen Meer auslösen.

Am westlichen Ende des Mittelmeers befindet sich die Iberische Mikroplatte, die weite Teile Spaniens und Portugals abdeckt. Diese Platte ist ebenfalls mit Europa kollidiert und verursachte die Erhebung der Pyrenäen. Erdbebenaktivitäten finden in den Pyrenäen und an der südlichen Kante der Iberischen Mikroplatte in der Nähe Afrikas statt. Der bekannte Tsunami, der 1755 Lissabon traf, wurde wahrscheinlich durch ein Erdbeben vor den Küsten Europas im Atlantischen Ozean ausgelöst.

Wie auch in anderen Teilen der Welt treten Erdbeben in Europa auch in Regionen auf, die weit von den heutigen tektonischen Grenzen entfernt sind, beispielsweise in Deutschland, der Tschechischen Republik und im Vereinigten Königreich. Diese Ereignisse werden vorwiegend von Restspannungen aus der geologischen Vorgeschichte ausgelöst. Einige von ihnen können mit natürlichen oder künstlich erzeugten Flüssigkeitsbewegungen in der Erdkruste zusammenhängen (siehe Geothermieprojekte / Fracking-Seite).

Wissenschaftler erstellen seismische Gefahrenkarten anhand von Berechnungen über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Erdbeben in den verschiedenen Teilen Europas. Diese Karten müssen auf der Grundlage neuer Methoden regelmässig aktualisiert werden, um die jüngsten Erdbebenkataloge und aufgezeichneten Daten widerzuspiegeln. Die aktuelle Karte veranschaulicht, warum die Gefährdung durch Erdbeben eine wichtige Überlegung im täglichen Leben vieler Europäer sein sollte.

Europäische Erdbebengefährdungskarte (Danciu et al. 2021)
 
Karte Erdbebengefährdung Europa