Archiv Aktuelles 2019

18.12.2019

Frohe Weihnachten und alles Gute fürs neue Jahr

Ein erinnerungswürdiges Ereignis im vergangenen Jahr war mit Sicherheit das Auftreten des Erdbebenschwarms nördlich von Sion im Wallis im November. Er inspirierte auch die diesjährige Weihnachtskarte: Die Weihnachtskugeln am Baum stellen die zahlreichen Beben des Schwarms dar und die Bergkette dahinter repräsentiert die kumulative Anzahl der selbigen. Klicken Sie auf das Bild für eine Detailansicht.

Der Erdbebenschwarm von Sion ereignete sich in einem Gebiet, das historisch für seine seismische Aktivität bekannt ist und wo auch künftig mit zahlreichen kleinen und vereinzelt grösseren Beben zu rechnen ist. Wie genau sich die seismische Aktivität in diesem Gebiet weiterentwickelt, lässt sich jedoch nicht vorhersagen. Die Auswertung der zahlreichen Daten, die dieser Schwarm geliefert hat, hilft nun mit, die Erdbebenaktivität in der Gegend besser zu verstehen.

Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten und ein glückliches sowie lehrreiches, neues Jahr!

30.11.2019

Erdbeben bei Verbier (VS)

Am Samstag, den 30. November 2019, ereignete sich um 03:14 Uhr (Ortszeit) ein Erdbeben der Magnitude 3.0 in einer Tiefe von ca. 2 km östlich von Verbier (VS).

Das Erdbeben wurde weiträumig verspürt, insbesondere im Rhonetal, wo die weichen Sedimente die Erdbebenwellen verstärkten. Beim SED gingen in der Stunde nach dem Beben etwa 200 Verspürtmeldungen ein. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten.

Das Wallis ist der erdbebenreichste Kanton der Schweiz. Die Region südlich des Rhonetals ist dabei im Allgemeinen weniger aktiv als die Region nördlich der Rhone, wo sich im November ein Erdbebenschwarm mit über 300 Erdbeben ereignete, wovon über ein Dutzend verspürt wurden. Das aktuelle Beben hat keinen kausalen Zusammenhang mit diesem Erdbebenschwarm.

Erdbeben bei  Verbier (VS)

15.11.2019

Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS): Entwicklung vergangene Woche

Der Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS) ist nach wie vor aktiv. In den vergangenen sieben Tagen haben sich über 100 weitere Beben ereignet, womit die Gesamtzahl der aufgezeichneten Ereignisse aktuell bei mehr als 300 liegt. Für die Bevölkerung waren in diesem Zeitraum zwei weitere Beben spürbar. Sie ereigneten sich am 11. und 12. November 2019 und wiesen eine Magnitude von 2.7 auf. Mit aktuell 16 verspürten Beben weist der Erdbebenschwarm eine ungewöhnliche Häufung an Erschütterungen auf, die genug stark sind, um von der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Wie sich der Erdbebenschwarm weiterentwickelt, bleibt weiterhin unklar. Es kann zudem nach wie vor nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein stärkeres Beben ereignet.

Der letzte Erdbebenschwarm in der jüngeren Vergangenheit, der eine annähernd gleich hohe Anzahl an verspürten Beben auslöste, wurde 2003 im Sertigtal (GR) beobachtet. Innerhalb von 26 Tagen ereigneten sich sechs Beben mit einer Magnitude von 2.5 oder mehr, wobei die zwei grössten eine Magnitude von 3.9 aufwiesen. 1992 ereignete sich zudem in Vaduz (FL) ein deutlich spürbares Beben mit einer Magnitude von 4.7, dem in den kommenden sieben Tagen sechs Beben mit Magnituden von 2.5 oder mehr folgten. Weiter zurück in der Vergangenheit und deutlich stärker und aktiver war der Erdbebenschwarm, der zwischen Februar und Mai 1964 im Raum Sarnen zu über 50 verspürten Beben geführt hat. Das grösste ereignete sich am 3. März 1964 und richtete mit einer Magnitude von 5.3 beträchtliche Gebäudeschäden an. Der Blick in die Vergangenheit belegt, dass 16 verspürte Beben innerhalb von zehn Tagen dennoch vergleichsweise selten auftreten.

Im Durschnitt hat sich seit Beginn des Schwarms alle 43 Minuten ein Beben ereignet, das manuell lokalisiert werden konnte (rot umrandet). Die Aktivität ist dabei nicht gleichmässig verteilt, es wechseln sich Phasen gesteigerter Aktivität mit eher ruhigen Perioden. Dies ist auf der Grafik oberhalb deutlich zu erkennen. Sie zeigt, wie sich die Bebenaktivität über die Zeit entwickelt hat. Dabei scheint es, als ereignen sich vor allem nachts mehr kleine Beben. Das ist nicht der Fall, aber aufgrund des geringeren Umgebungslärms (z. B. Strassenverkehr) können nachts mehr kleine Beben aufgezeichnet werden. Die Abbildung umfasst einerseits die über 300 Beben (rot umrandet), die mittels der standardmässigen Auswertung der aufgezeichneten Daten eindeutig bestimmt werden konnten. Anderseits sind weitere, sehr kleine Ereignisse abgebildet. Diese konnten nachträglich durch einen systematischen Vergleich der Wellenformen ermittelt werden, jene der kleinen Beben weisen ähnliche Muster auf wie die der standardmässig aufgezeichneten. Die dazu angewendete Methode des «template-matching» wird derzeit am SED erforscht und weiterentwickelt. Sie ermöglicht, solche Sequenzen noch besser zu verstehen.

Als mögliche Ursache für solche Schwärme werden oft Änderungen der lokalen Spannungsverhältnisse im Gestein diskutiert, die beispielsweise durch Umlagerungen und Bewegungen von Fluiden (z. B. Wasser) hervorgerufen werden können. Ob solche Prozesse auch im gegenwärtigen Schwarm eine grössere Rolle spielen ist Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten am SED.

Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS): Entwicklung vergangene Woche

08.11.2019

Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS): aktuelle Entwicklung und Ursachen

Über 200 Beben haben sich bis anhin seit der Nacht vom 4. auf den 5. November 2019 nördlich von Sion (VS) ereignet. Vierzehn dieser Beben wurden von der Bevölkerung verspürt. Die zwei bisher grössten Beben wiesen eine Magnitude von 3.3 auf. Obwohl sich am Abend des 7. Novembers zwei weitere, spürbare Beben ereignet haben, hat der Erdbebenschwarm etwas an Stärke verloren. Es ereignen sich im Vergleich zur ersten Phase weniger und weniger starke Beben. Die weitere Entwicklung ist nach wie vor ungewiss. In der Regel nimmt die Aktivität eines solchen Schwarms innert Tagen bis Wochen fortwährend ab. In seltenen Fällen kommt es jedoch zu einem stärkeren Beben. Die Wahrscheinlichkeit für ein Beben mit einer Magnitude von 4 oder mehr innerhalb der nächsten Woche beträgt für den Bebenschwarm im Wallis aktuell etwa zwei bis fünf Prozent.

Erdbebenschwarm auf bekannter Störzone

Der Erdbebenschwarm liegt in einem seismisch sehr aktiven Gebiet, das nördlich von Sion zwischen dem Diablerets und dem Wildhorn verläuft. Auf der Abbildung ist deutlich zu sehen, dass sich die Bebenaktivität bereits in der Vergangenheit auf ein dieses Gebiet konzentrierte. Die grauen Kreise zeigen die Beben, welche seit 1984 instrumentell erfasst wurden. Der aktuelle Erdbebenschwarm, gekennzeichnet durch die roten Kreise, liegt in der Mitte dieser Aktivitätszone. Unweit davon liegen die Epizentren einiger grösseren historischen Beben (blaue Sterne). Der Erdbebenschwarm vom November 2019 ereignet sich demnach in einem Gebiet, dass historisch für seine seismische Aktivität bekannt ist und wo auch künftig mit zahlreichen kleinen und vereinzelt grösseren Beben zu rechnen ist. Wie genau sich die seismische Aktivität in diesem Gebiet entwickelt, lässt sich jedoch nicht vorhersagen.

Weshalb bebt es in diesem Gebiet?

Das Wallis ist, im Vergleich zu anderen Gebieten der Schweiz, durch eine erhöhte Verformung des Untergrunds (Deformation) gekennzeichnet. Diese äussert sich sowohl in Form einer vertikalen Hebung als auch in einer horizontalen Deformation und hängt mit den gebirgsbildenden Prozessen der Alpen zusammen. Aus geologischer Sicht stellt die Rhone-Simplon Verwerfung eine der wichtigsten Störzonen in der Region dar. Sie verläuft im Bereich von Sion entlang des Nordrandes des Rhonetals. Die Seismizität im Bereich der helvetischen Decken nördlich des Rhonetals steht daher wahrscheinlich in Zusammenhang mit den Deformationsprozessen entlang der Rhone-Simplon Verwerfung, aber eventuell auch mit den tiefer liegenden Hebungsprozessen im Bereich des Aar Massivs und des Aiguilles Rouge/Mont Blanc Massivs. Ein verbessertes Verständnis dieser tektonischen Prozesse und ihrer Auswirkungen auf die heutige Seismizität sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten beim SED.

Welchen Einfluss haben die tektonischen Untergründe der helvetischen und penninischen Decken?

Die Rhone-Simplon Verwerfung verläuft entlang der Grenze zwischen der helvetischen und der penninischen Decken im Bereich von Sion. Beide tektonisch Einheiten weisen sehr unterschiedliche Bruchmechanismen auf, was auf unterschiedliche tektonische Spannungsregime hinweist. Die seismisch aktive Struktur nördlich des Rhonetals, die den aktuellen Schwarm beinhaltet, «wurzelt» nach derzeitigem Kenntnistand vermutlich im oberen kristallinen Grundgebirge, reicht aber bis in die darüberlegenden Sedimente der helvetischen Decken. Die vorläufigen Ergebnisse der seismischen Auswertungen zeigen, dass der Erdbebenschwarm im Übergangsbereich zwischen Grundgebirge und Sedimenten in ca. 4 bis 5 km Tiefe liegt.

Was hat es mit den einzelnen Bruchsystemen auf sich?

In der Karte sind die verschiedenen Bruchsysteme durch die dunkelroten bis orangen Linien gekennzeichnet. In den helvetischen Decken sind Bruchsysteme unterschiedlicher Orientierungen im Bereich des Sanetschpasses geologisch kartiert. Allerdings ist der Zusammenhang der Brüche an der Oberfläche mit den heutigen Erdbeben in der Tiefe unklar. Erste Ergebnisse in Bezug auf die Bruchorientierungen im aktuellen Schwarm zeigen teilweise Übereinstimmungen mit den Bruchsystemen an der Oberfläche (es scheinen vor allem die WNW/W und WSW streichende Brüche aktiv zu sein, siehe Kartenlegende). Der Zusammenhang zwischen geologisch kartierten Brüchen und heutigen Erdbeben ist ebenfalls Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten beim SED. Dass die Bruchsysteme des Erdbebenschwarms so deutlich zu erkennen sind, ist dem dichten seismischen Netzwerk in der Region zu verdanken sowie neusten Analysemethoden.  

Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS): aktuelle Entwicklung und Ursachen

06.11.2019

Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS) aktuell ruhiger

Seit dem 4. November 2019 haben sich ungefähr 150 Erdbeben mit Magnituden zwischen 0.1 und 3.3 nördlich von Sion (VS) ereignet. Zwölf davon wurden von der Bevölkerung teilweise deutlich verspürt, wie die über 1’500 eingegangen Verspürtmeldungen belegen. Seit dem Morgen des 6. Novembers hat der Erdbebenschwarm deutlich an Intensität abgenommen. Das heisst, es sind weniger häufig und weniger starke Beben aufgetreten. Ob es sich dabei um eine zwischenzeitliche Beruhigung handelt oder ob der Erdbebenschwarm tatsächlich langsam ausklingt, lässt sich daraus jedoch nicht mit Sicherheit schliessen. Der SED beobachtet weiterhin die Entwicklung der Seismizität und steht in Kontakt mit den Behörden im Kanton Wallis und auf Bundesebene.

Das seismische Messnetz des SED ist in der betroffenen Region sehr dicht und ermöglicht bereits kleinste Beben zuverlässig aufzuzeichnen. Aus diesem Grund besteht in diesem Fall kein Bedarf, das Messnetz durch weitere, temporäre Nachbenenstationen zu verdichten. Die Seismologinnen und Seismologen des SED sind aktuell mit der manuellen Auswertung und wissenschaftlichen Aufarbeitung der bisher aufgetretenen Erdbeben beschäftigt. Aufgrund der grossen Anzahl an Beben wird die detaillierte Analyse noch etwas Zeit beanspruchen und erst in einigen Tagen vorliegen. Informationen und Erläuterungen zu aktuellen Beben publiziert der SED weiterhin regelmässig an dieser Stelle.

Obwohl sich die seismische Aktivität in den letzten zwölf Stunden deutlich verringert hat, ist es nicht klar, wie sich die Erdbebenaktivität entwickeln wird. Es ist somit immer noch möglich - wenn auch zunehmend weniger wahrscheinlich – dass weitere, noch stärkere Beben auftreten werden.

Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS) aktuell ruhiger

06.11.2019

Weiterhin aktiver Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS)

[aufdadiert am 6. November 2019 um 07:30 Uhr]

Seit der Nacht vom 4. auf den 5 November 2019 ist bei Savièse (VS), nördlich von Sion, ein aussergewöhnlich aktiver Erdbebenschwarm im Gang. Bis zum Morgen des 6. Novembers 2019 hat das Messnetz des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich (SED) über 100 Beben aufgezeichnet. Zwölf dieser Beben wiesen eine Magnitude von 2.5 oder grösser auf und wurden vornehmlich von der Bevölkerung in der Region Sion bis nach Sierre verspürt. Die vier stärksten Beben erreichten Magnituden zwischen 3.0 und 3.3 und wurden vereinzelt bis ins Berner Oberland wahrgenommen. Insgesamt sind auf der Webseite des SED mehrere hundert Verspürtmeldungen eingegangen.

Eine derartige Häufung von Erdbeben ist eher ungewöhnlich in der Schweiz. Zwar gibt es regelmässig Erdbebenschwärme mit zahlreichen Erdbeben innerhalb von Tagen oder Wochen, deren Aktivität dann mit der Zeit abklingt. Nur selten ereignen sich jedoch so viele spürbare Beben zeitlich und räumlich eng konzentriert. Eine  Prognose über den weiteren Verlauf lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Typischerweise klingt die Aktivität nach einigen Tagen, allenfalls Wochen wieder ab. Allerdings kann es mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 bis 10 Prozent in den nächsten Tagen auch zu deutlich stärkeren Erbeben kommen.

Das Wallis ist die aktivste Erdbebenregion der Schweiz. Die Beben der letzten Tage fanden auf einer der bekanntesten Aktivitätszonen statt, die südlich der Diablerets und des Wildhorns parallel zum Rhonetal verläuft. Das letzte verspürte Erdbeben vor der aktuellen Serie fand hier am 14. Januar 2018 statt; kleine, nur instrumentell messbare Erdbeben ereigneten sich allerdings fast wöchentlich. Das letzte grosse Schadensbeben der Schweiz mit einer Magnitude von 5.8, ereignete sich am 25. Januar 1946 ebenfalls nördlich von Sion und hat in einem beträchtlichen Umkreis grosse Schäden verursacht.

Weiterhin aktiver Erdbebenschwarm nördlich von Sion (VS)

23.10.2019

Zwanzig Jahre Atomteststoppüberwachung

Am 24. September 1996 unterschrieben die ersten 71 Staaten den Atomteststopp-Vertrag bei den Vereinten Nationen in New York. Damit bekräftigten sie, fortan auf atomare Testexplosionen zu verzichten. Die Schweiz gehörte nicht nur zu den ersten Unterzeichnenden, der UN-Sitz Genf diente auch als Drehscheibe für die vorbereitenden Verhandlungen. 1999, folglich vor genau 20 Jahren, ratifizierte das Schweizer Parlament den Vertrag und überführte ihn damit in geltendes Recht. Bisher sind beinahe 200 Staaten der «Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization (CTBTO)» beigetreten, 168 davon haben den Vertrag bereits ratifiziert. Damit der Vertrag in Kraft treten könnte, wäre eine Ratifizierung durch acht weitere Staaten notwendig. Sie gehören zu der Gruppe von 44 Staaten, die 1996 gemäss Angaben der Internationalen Atombehörde Kernreaktoren in Betrieb hatten.

Die CTBTO ist eine internationale Organisation mit Sitz in Wien. Sie überwacht die Einhaltung des Atomteststoppvertrags. Die Überzeugung, dass der Vertrag verlässlich überwacht werden könnte, war entscheidend für sein Zustandekommen. Diplomaten und Wissenschaftler diskutierten daher an der UN Abrüstungskonferenz in Genf intensiv, wie ein solches Überwachungssystem ausgestaltet sein sollte. Sie einigten sich auf ein weltumspannendes Netz hochsensibler seismologischer, hydroakustischer, Infraschall- und Radionuklid-Messstationen, alle verbunden mit einem gemeinsamen Datenzentrum. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erhielt die CTBTO den Auftrag, dieses Überwachungssystem schon vor dem Inkrafttreten des Vertrags aufzubauen und zu betreiben.

Teil dieses Überwachungsnetzwerkes ist die seismische Station «DAVOX», die der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich im Auftrag des Eidgenössischen Departements des Innern und des Departements für auswärtige Angelegenheiten betreut. Die Station ist in der Nähe von Davos an einem abgelegenen und seismisch ruhigen Standort installiert. Bei Verdacht auf eine Verletzung des Vertrags stellt der SED die dort aufgezeichneten Daten umgehend der CTBTO zur Verfügung. DAVOX hat alle sechs mutmasslichen Atomwaffentests Nordkoreas registriert, den bisher letzten im Jahr 2017. Es dauert etwa 12 Minuten, bis die Signale der Explosionen in Nordkorea als seismische Wellen die Station DAVOX erreichen. Um einen Atomtest von einer konventionellen Explosion zu unterscheiden, braucht es allerdings auch die anderen Komponenten des Überwachungssystems, speziell die Radionuklid-Stationen. Neben der seismischen Überwachung wirkt der SED aktiv in Arbeitsgruppen der CTBTO mit, welche den Datenaustausch, technische Weiterentwicklungen oder Aspekte der Qualitätskontrolle regeln.

Anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums der Ratifizierung des Atomteststoppvertrags durch die Schweiz und um das Bewusstsein für die CTBTO und ihre wichtige Rolle für die globale Sicherheit zu stärken, besucht ihr Exekutivsekretär Lassina Zerbo die Schweiz. Am 4. November 2019 wird er im Audimax der ETH Zürich einen Vortrag zum Thema “Science meets Diplomacy and World Security - the case of the Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty” halten. Die öffentliche Veranstaltung beginnt um 17.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Bitte melden Sie sich hier an.

Eine kleine Ausstellung zur CTBTO und dem Schweizer Beitrag zur Atomteststoppüberwachung kann vom 28. Oktober bis 05. November 2019 im Museum focusTerra besichtigt werden.

30.10.2019

Erdbeben bei Vaduz

Am Mittwoch, dem 30. Oktober 2019 hat sich um 23:08 Uhr (Lokalzeit) östlich von Vaduz, Lichtenstein, in einer Tiefe von ungefähr 4 km ein Erdbeben der Magnitude 2.8 ereignet.

Die Erschütterungen waren vorwiegend im Gebiet um Vaduz, in Schaan, Triesen und Buchs (SG) gut zu spüren. Zudem haben Personen aus weiteren Gemeinden, vorwiegend im Rheintal, das Beben wahrgenommen. Bis Donnerstagmorgen sind beim Schweizer Erdbebendienst an der ETH Zürich etwa 140 Meldungen aus der Bevölkerung eingegangen. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind in der Regel keine Schäden zu erwarten.

Die letzten spürbaren Beben im Gebiet um Vaduz wurden am 17. Januar 2009 mit einer Magnitude von 3.0 und am 2. Februar 2009 mit einer Magnitude von 2.9, in einer ähnlich geringen Tiefe wie das Beben von Mittwochnacht, registriert.

Erdbeben bei Vaduz

11.10.2019

Forschungsprojekt gefördert, um Erdbeben besser zu verstehen

Trotz intensiver Forschung können Wissenschaftler nicht vorhersagen, wann und wo genau das nächste grosse Erdbeben auftritt. Mit ihrem ERC-Synergy-Projekt «FEAR» wollen Domenico Giardini, ETH-Professor für Seismologie und Geodynamik, Florian Amann von der RWTH Aachen, Stefan Wiemer, Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich, und Massimo Cocco vom Instituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia, Italien, die Physik von Erdbebenprozessen besser verstehen.

Das von der ETH Zürich und der Werner Siemens-Stiftung erbaute Felslabor «Bedretto Lab» in den Schweizer Alpen bietet FEAR eine einmalige Forschungsumgebung. In über einem Kilometer Tiefe und auf einer Skala von zehn bis zu hundert Metern werden die Forschenden unter kontrollierten Bedingungen kleine Erdbeben erzeugen und verschiedene Parameter mit einem dichten Sensornetzwerk vermessen und anschliessend analysieren. Davon erhofft sich das Konsortium ein besseres Verständnis der Dynamik von Erdbeben. Die neuen Erkenntnisse sollen auch Experimente zur sicheren Nutzung von Geoenergie vorantreiben sowie zur besseren Voraussagbarkeit von Erdbeben beitragen.

Forschungsprojekt gefördert, um Erdbeben besser zu verstehen

09.10.2019

War es das Hauptbeben?

Während sich die meisten grossen Beben nicht durch Vorbeben ankünden, ereignen sich im Anschluss daran immer tausende von Nachbeben. Deren Häufigkeit und Stärke nimmt jeweils mit der Zeit ab. In manchen Fällen folgt aber auf ein grosses Beben ein noch stärkeres. Das trifft beispielsweise auf die Bebensequenzen in Zentralitalien im Jahr 2016 zu oder auf jene bei Ridgecrest (USA) im Juli dieses Jahres.

Bislang war es nicht möglich vorherzusagen, ob auf ein starkes Beben wahrscheinlich ein noch grösseres folgt oder nicht. Die Resultate einer soeben in Nature publizierten Studie von Laura Gulia und Stefan Wiemer vom Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich wecken die Hoffnung, dazu bald in Echtzeit in der Lage zu sein. Diese wissenschaftliche Entdeckung hätte weitreichende Folgen für den Bevölkerungsschutz: Entscheidungen über die Evakuationen von Personen könnten verlässlicher getroffen werden, Rettungskräfte ihre Arbeit entsprechend ausrichten oder kritische Infrastrukturen Kraftwerke geschützt werden.

Ausgehend von aktuellen Bebendaten haben die Autoren der Studie eine Methode entwickelt, mit der sich bestimmen lässt, ob eine Bebensequenz eher ausklingt oder ein noch grösseres Beben folgt. Als relevante Messgrösse untersuchten sie den sogenannten b-Wert. Er kennzeichnet das Verhältnis zwischen der Grösse und der Anzahl Beben. Aus Labormessungen weiss man, dass er indirekt den Spannungszustand der Erdkruste angibt. In seismisch aktiven Regionen ist er in der Regel nahe 1. Das heisst, es ereignen sich etwa 10-mal mehr Magnitude-3-Beben als solche mit einer Magnitude von 4 oder grösser.

Die Forschenden haben nun nachgewiesen, dass sich der b-Wert im Zuge einer Bebensequenz systematisch verändert. Dazu untersuchten sie die Daten von 58 Bebensequenzen und entwarfen ein Ampelsystem, das ihre künftige Entwicklung anzeigt. Bei einer Abnahme des b-Werts um 10 Prozent oder mehr geht die Ampel auf Rot. Das heisst, es besteht akute Gefahr für ein noch grösseres Beben. In den allermeisten Fällen steigt der b-Wert hingegen um 10 Prozent oder mehr und die Ampel geht auf Grün und gibt damit Entwarnung. In diesem Fall ist von einer typischen Nachbebensequenz auszugehen, die mit der Zeit ausklingt. Ausgehend von den untersuchten Datensätzen trifft dies auf 80 Prozent der Sequenzen zu. Gelb zeigt die Ampel, wenn die Zu- oder Abnahme weniger als 10 Prozent beträgt und daher unklar ist, wie es weitergeht.

Das entwickelte Ampelsystem bewährte sich in 95 Prozent der untersuchten Fälle: Die beobachtete Veränderung des b-Werts zeigte, wie sich eine Sequenz entwickelt, also ob noch ein grösseres Beben folgt oder nicht. Weitere Überprüfungen mit zusätzlichen Datensätzen sind jedoch unbedingt notwendig, bevor ein solches System effektiv für den Bevölkerungsschutz eingesetzt werden könnte. Für eine erfolgreiche Anwendung benötigt es zudem ein dichtes seismisches Netzwerk und entsprechende Datenverarbeitungskapazitäten. Darüber verfügen derzeit längst nicht alle Regionen, die von einem solchen Ampelsystem profitieren könnten.

Nature Artikel Real-time discrimination of earthquake foreshocks and aftershocks

War es das Hauptbeben?

25.09.2019

Schweizer Beitrag zur Verbesserung des ShakeAlert-Erdbebenfrühwarnsystems in den USA

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Warnung vor einem Erdbeben bevor Sie es spüren. Science-Fiction? Nicht ganz: In Japan und Mexico sind solche Systeme etabliert und seit mehreren Jahren im Einsatz. An der Westküste der USA ist ein solches System – genannt ShakeAlert – zurzeit in der ersten Phase eines öffentlichen Rollouts. Der US Geological Survey (USGS) vergab nun Fördergelder an mehrere Institutionen, darunter der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich, um ShakeAlert für die Alarmierung der Öffentlichkeit zu optimieren.

ShakeAlert ist ein Erdbebenfrühwarnsystem für die Westküste der USA. Entwickelt über die letzten 13 Jahre wird das System derzeit von ausgewählten kommerziellen und institutionellen Nutzern getestet. Mit den vom USGS bewilligten Fördergeldern wird ShakeAlert demnächst einer weitaus grösseren Bevölkerungsgruppe zugänglich gemacht werden, welche zum Beispiel über ihr Mobiltelefon alarmiert wird. Dazu muss ShakeAlert in verschiedener Weise optimiert und erweitert werden, einschliesslich des Sensornetzwerks, der Algorithmen und der Schulung der betroffenen Bevölkerung.

Die Alarmierung in ShakeAlert basiert auf zwei Algorithmen: EPIC und FinDer. EPIC berechnet das Hypozentrum und die Magnitude des Erdbebens. Bei stärkeren Erdbeben (Magnitude 6 und höher) erstreckt sich die Bruchzone jedoch typischerweise über mehrere zehn bis hunderte von Kilometern entlang einer Verwerfung. Daher nutzt ShakeAlert einen zweiten Algorithmus – FinDer –, welcher in Echtzeit die Bruchausdehnung berechnet. Dies ist entscheidend, um die Bewegungen des Untergrundes so genau wie möglich vorherzusagen.

Maren Böse, Wissenschaftlerin am Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich, hat FinDer entwickelt. Mit den bewilligten Forschungsgeldern wird sie nun zusammen mit dem USGS und dem California Institute of Technology (Caltech) erforschen, wie FinDer noch leistungsfähiger und robuster gemacht werden kann. Ihre Forschung wird sich insbesondere auf Starkbeben entlang der San-Andreas-Störung und der Cascadia-Subduktionszone konzentrieren, welche ein enormes Schadenspotential haben.

Erdbebenfrühwarnsysteme wie ShakeAlert können Erdbeben nicht vorhersagen. Sie geben an, dass ein Erdbeben begonnen hat und warnen, bevor Erdbebenwellen einen Standort erreichen. Dies verschafft der Bevölkerung wertvolle Sekunden, um sich vorzubereiten und potentielle Schäden und Verletzungen zu verhindern. Erdbebenfrühwarnsysteme können auch automatische Aktionen auslösen, wie zum Beispiel Züge bremsen oder Aufzüge stoppen.

Erfahren Sie mehr über Erdbebenfrühwarnsysteme und FinDer.

Über ShakeAlert erfahren Sie hier mehr.

Abbildung: Von FinDer abgeschätzte Bruchausdehnung des Magnitude-7.1-Ridgecrest-Erdbebens in Kalifornien (USA) am 6. Juli 2019.

Schweizer Beitrag zur Verbesserung des ShakeAlert-Erdbebenfrühwarnsystems in den USA

05.09.2019

Erneut verspürtes Beben bei Konstanz

Am Donnerstag, 05.09.2019 um 16.19 Uhr (Lokalzeit; genau eine Woche nach dem Beben mit einer Magnitude von 3.5 im selben Gebiet ) hat sich ein erneutes Beben, diesmal mit einer Magnitude von 3.0, auf dem Bodanrück ereignet. Das Beben ereignete sich in einer Tiefe von ungefähr 5 km. Bei Beben dieser Stärke sind in der Regel keine Schäden zu erwarten. Seit dem 30.07.2019 haben sich auf der Halbinsel Bodanrück fünf Beben mit einer Magnitude 3.0 oder grösser ereignet.

Das Beben ist Teil einer derzeit aktiven Erdbebensequenz auf der Halbinsel, die etwa 10 km nordwestlich von Konstanz (D) liegt. Das bisher stärkste Beben mit einer Magnitude von 3.7 ereignete sich am 30. Juli 2019. Diesem Hauptbeben ging ein spürbares Beben der Stärke 2.9 voraus. In der Folge wurden einige Nachbeben registriert.

Weitere Informationen zur Erdbebensequenz auf der Halbinsel Bodanrück finden Sie in diesem Beitrag.

Erneut verspürtes Beben bei Konstanz

23.08.2019

Erdbeben im Val d’Anniviers

Am Freitag, dem 23. August 2019 hat sich um 10:38 Uhr (Lokalzeit) westlich von Vissoie im Val d’Anniviers, südlich von Siders, in einer Tiefe von ungefähr 5 km ein Erdbeben der Magnitude 3.0 ereignet.

Die Erschütterungen waren im Zentralwallis, vor allem im Rhonetal, gut zu spüren. In den ersten Minuten nach dem Erdbeben gingen beim Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich bereits über 50 Verspürtmeldungen ein. Die Bodenbeschaffenheit im Rhonetal (weiche Sedimente) und die damit verbundene Verstärkung der Erdbebenwellen sind dabei für die verbreitete Wahrnehmung mitverantwortlich. Vom Val d’Anniviers selber kamen nur wenige Meldungen. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten.

In der Region um Vissoie hat der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich im letzten Monat zwei schwache, nicht spürbare Beben registriert. Das letzte verspürte Beben in der Region von Vissoie ereignete sich vor mehr als 15 Jahren, am 20. März 2002. Es hatte eine Magnitude von 2.9. Wie auch nördlich des Rhonetals erstreckt sich hier, in etwa 10 km Abstand zur Talachse, ein Gebiet mit erhöhter seismischer Aktivität parallel zum Rhonetal. Im Unterschied zur Nordseite ist dieses aber räumlich weniger gut abgegrenzt und weniger aktiv. Im Vergleich dazu ereignen sich direkt unter dem Rhonetal weniger Beben.

Erdbeben im Val d’Anniviers

14.08.2019

Erdbebenmythen auf der Spur

Glauben Sie, dass alle Schweizer Gebäude erbebengerecht gebaut sind? Überprüfen Sie Ihr Wissen rund um Erdbebenmythen an der Scientifica und besuchen Sie die interaktive Ausstellungswand sowie den Adventure Room des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH Zürich. Das Wissensfestival findet vom 30. August bis zum 01. September 2019 statt und dreht sich um das Thema «Science Fiction –Science Facts».

Über Ursachen und Auswirkungen von Erdbeben weiss man heute schon viel, trotzdem halten sich einige falsche Vorstellungen hartnäckig, wie etwa: «Hunde können Beben vor den Menschen spüren». Prof. Stefan Wiemer, Direktor des SED, klärt den Mythos in diesem Video auf. Weitere Mythen können Sie an unserer interaktiven Ausstellungswand selbst erkunden und herausfinden, was Fakt und was Fake ist.

Sie möchten sich noch aktiver mit Erdbeben auseinandersetzen? Dann melden Sie sich direkt am Stand für unseren zweiten Programmpunkt den «Adventure Room» an. In den sozialen Medien kursiert ein beunruhigender Beitrag: In 15 Minuten wird es in Zürich zu einem schweren Erdbeben kommen! Sie befinden sich zufällig in der Nähe des Büros des etablierten Seismologen Dr. Seismoritz, nur fehlt von ihm jede Spur. Sie müssen das Krisenmanagement übernehmen. In einem Adventure Room müssen Sie Hinweise finden und verschiedenste Rätsel lösen. Wie in einer Schnitzeljagd führt die Lösung eines Rätsels zum nächsten.

Erdbebenmythen auf der Spur

30.07.2019

Verspürte Erdbeben bei Konstanz (D)

Am Dienstag, dem 30. Juli 2019, ereignete sich um 01:17 Uhr (Lokalzeit) auf der Halbinsel Bodanrück, etwa 10 km nordwestlich von Konstanz (D), ein Erdbeben der Stärke 3.7. Der Erdbebenherd lag in einer Tiefe von ca. 4 km. Es handelt sich damit um das stärkste bisher aufgezeichnete Beben auf der Halbinsel, die in jüngster Vergangenheit kaum seismisch aktiv war. Das letzte spürbare Beben ereignete sich 1976 in unmittelbarer Nähe zum heutigen Beben, mit einer Stärke von 2.6.

Dem Magnitude-3.7-Hauptbeben ging ein spürbares Beben der Stärke 2.9 um 01:06 Uhr voraus. In der Folge wurden einige Nachbeben registriert. Das stärkste wies eine Magnitude von 3.2 auf und ereignete sich um 02.42 Uhr. Für dieses sowie ein weiteres sind ebenfalls einige Verspürtmeldungen aus der Bevölkerung eingegangen. Insgesamt erhielt der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich bis in die Morgenstunden etwa 50 Verspürtmeldungen. Bei einem Erdbeben dieser Stärke und der geringen Tiefe sind vereinzelt leichte Schäden in der Nähe des Epizentrums nicht auszuschliessen.

Alle Beben weisen eine Herdtiefe von 4 bis 5 km auf, was für die Region ungewöhnlich nahe an der Oberfläche ist. Abgesehen von einer kleineren Bebenserie in Singen (D) im Jahr 2016 mit Herdtiefen von 5 bis 7 km, ereignen sich die Beben in dieser Region gewöhnlich in Tiefen von 10 bis 25 km. Die Tiefe eines Bebens hat einen Einfluss auf die Auswirkung an der Oberfläche. Beben nahe der Oberfläche werden lokal stärker verspürt. Sie können zudem in sehr seltenen Fällen bereits ab Magnituden von 3.5 kleinere Schäden anrichten. Normalerweise sind solche Schäden erst ab einer Magnitude von 4.5 zu erwarten, also bei Beben die 30-mal mehr Energie freisetzen. Tiefere Beben werden dagegen vergleichsweise weniger stark verspürt, dafür in einem grösseren Umkreis. Einen ebenfalls grossen Einfluss auf die Auswirkungen eines Bebens hat der lokale Untergrund. Auf weichem Sedimentgestein beziehungsweise nicht sehr festem Gestein bei Seen oder Flüssen verstärken sich die Erdbebenwellen teils um ein Mehrfaches verglichen mit einem festeren, felsigen Untergrund.

Eine Sequenz von Beben, wie sie sich in der Nacht vom 29. auf den 30 Juli 2019 ereignet hat, ist nichts Aussergewöhnliches. In ihrer bisherigen Abfolge von Vor-, Haupt- und Nachbeben gilt sie bisher beinahe als Lehrbuchbeispiel. Ihr weiterer Verlauf lässt sich dennoch nicht vorhersagen. Grundsätzlich sind in den nächsten Stunden und Tagen in der Region weitere Beben möglich, die unter Umständen ebenfalls verspürt werden können. Beben mit einer ähnlichen oder gar grösseren Magnitude sind zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschliessen.

Erdbeben der Magnitude 3.5 bis 4 treten im Durchschnitt in der Schweiz und im grenznahen Ausland etwa 1- bis 5-mal pro Jahr auf.

12.06.2019

Erdbebenland Schweiz: Informationsanlass für Behörden

Was ist bezüglich Erdbeben zu tun? Eine Frage, die sich in Gemeinden und Kantonen immer wieder stellt. Oft gibt es nur wenige Berührungspunkte mit dem Thema Erdbeben, zum Beispiel im Rahmen von Bauvorhaben, Bewilligungsverfahren oder wenn die Behörden definieren, wie sie mit solchen Ereignissen umgehen.

Der Informationsanlass richtet sich an Behördenvertreter, die sich nicht schwerpunktmässig mit Fragestellungen rund um Erdbeben befassen, aber mehr darüber erfahren möchten. Ziel ist es, eine breite Wissensgrundlage zu vermitteln, die bei Entscheidungen in Bezug auf das Erdbebenrisikomanagement hilft. Das detaillierte Programm finden Sie hier.

Der Anlass findet am 23. August 2019 an der ETH Zürich statt. Anmeldung bis 5. August unter folgendem Link: bit.ly/2GSPvLO

Erdbebenland Schweiz: Informationsanlass für Behörden

05.06.2019

Rasche Massenbewegungen mit Seismometern überwachen

Oberhalb von Susten (VS) gräbt sich ein Bach durch eine faszinierende geologische Formation genannt «Illgraben». An den steilen Hängen der Schlucht lösen sich andauernd kleinere und grössere Gesteinsmassen. Mehrere Male pro Jahr, meist in Folge von Niederschlägen, vermengen sich diese zu einem breiartigen Gemenge aus Steinen, Schlamm und Wasser. Diese Murgänge reissen auch grosse Gesteinsblöcken aus Kalk und Quarzit mit und bewegen sich rasant talabwärts bis in den Fluss «Rotten». Am Illgraben entstehen normalerweise keine Schäden. An anderen Orten verschieben Murgänge in Extremfällen aber Millionen von Kubikmetern Gestein über mehrere Kilometer. Treffen sie auf Verkehrswege oder Siedlungen, wie dies beispielsweise beim Murgang am Pizzo Cengalo 2017 der Fall war, können die Auswirkungen verheerend sein. Ausgeklügelte Messsysteme helfen dabei, solche Prozesse besser zu verstehen oder gar vorherzusagen. Am Illgraben untersuchen dies Forschende des Schweizerischen Erdbebendienstes, des Instituts für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich sowie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Grosse Massenbewegungen vorherzusagen, ist keine leichte Aufgabe. Die Anzeichen für ein drohendes Ereignis sind schwierig zu messen, die ursächlichen physikalischen Prozesse unzureichend verstanden und die betroffenen Gebiete oft nur schwer zugänglich. In abgelegenen alpinen Tälern ist es bereits schwer festzustellen, ob überhaupt ein Ereignis stattgefunden hat. Die räumliche und zeitliche Abdeckung von bestehenden Überwachungsmethoden ist dafür nicht ausreichend (z. B. Satelliten oder geodätische Instrumente). Lokale seismische Messnetzwerke bieten eine bisher wenig genutzte Alternative. Murgänge, Steinschläge oder Steinlawinen lösen Bodenbewegungen aus. Abhängig von der Grösse des Ereignisses können seismische Stationen diese auf mehrere Kilometer Entfernung und in selten Fällen sogar bis zu mehreren tausend Kilometern entfernt erfassen. Indem man das seismische Netzwerk lokal verdichtet und eine schnelle Datenübertragung sicherstellt, kann man gefährdete Gebiete besser überwachen und möglicherweise vor gefährlichen Massenbewegungen warnen. Seit 2017 betreibt der Schweizerische Erdbebendienst ein solches Netzwerk mit zusätzlichen Messgeräten zu Forschungszwecken im Illgraben. Die daraus gewonnenen Kenntnisse sollen dazu beitragen, Massenbewegungen künftig besser und zuverlässiger überwachen und vorhersagen zu können.

Mehr Informationen: Prof. Dr. Walter Fabian, VAW an der ETH Zürich.

Rasche Massenbewegungen mit Seismometern überwachen

28.05.2019

Beben am Südufer des Genfersees

Am Dienstag, dem 28. Mai 2019, hat sich um 10:48 Uhr (Lokalzeit) am Südufer des Genfersees, südwestlich von St. Gingolph, westlich von Novel, auf französischem Boden in einer Tiefe von ungefähr 2 km ein Erdbeben der Magnitude 4.2 ereignet.

Die Erschütterungen waren im ganzen Seebecken und im Chablais gut zu spüren. Da sich das Beben relativ nahe der Erdoberfläche ereignet hat, wurde es vor allem im Gebiet des Epizentrums relativ deutlich verspürt. Die Anzahl der Erdbebenmeldungen nahm entsprechend mit der Distanz ab. Leichte Schäden sind bei einem Beben dieser Stärke vereinzelt möglich.

In den vergangenen Jahren haben sich in diesem Gebiet wiederholt oberflächennahe Beben oder Erdbebenschwärme ereignet, von denen die stärksten leicht verspürt wurden. Am 22. Dezember 2016 haben sich zum Beispiel in der Nähe des Ortes Novel zwei Erdbeben der Magnituden 3.0 und 3.4 innerhalb von 26 Minuten ereignet, die ebenfalls im Gebiet des Genfersees und im Rhonetal verspürt wurden. Damals haben sich innerhalb von zwei Wochen 13 weitere Erdbeben mit Magnituden zwischen 1.0 und 2.9 ereignet.

Das heutige Beben war damit das stärkste bisher. Mit Nachbeben ist in den nächsten Tagen und Wochen zu rechnen. Gleich starke oder gar stärkere Beben sind unwahrscheinlich, können aber nicht ausgeschlossen werden.   

Der Erdbebendienst wird in der Region im Laufe des Tages noch zwei weitere Messstationen installieren um die Nachbeben genauer zu beobachten.

Beben am Südufer des Genfersees

24.05.2019

Erdbeben und Geothermie: Lehren aus Pohang

Im November 2017 erschütterte ein Beben der Magnitude 5.5 die südkoreanische Stadt Pohang. Die Bilanz: über 100 Verletzte und Schäden in der Höhe von 300 Millionen Dollar. Bereits kurze Zeit später wurde vermutet, dass ein Geothermieprojekt in der Nähe das Beben ausgelöst haben könnte. Zwei wissenschaftliche Untersuchungen bekräftigten diesen Verdacht, eine davon verfasst von Mitarbeitenden des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH Zürich (siehe Aktuellbeitrag vom 26.04.2018). Infolge dessen setzte die koreanische Regierung eine internationale Expertenkommission ein, in der unter anderen Prof. Domenico Giardini von der ETH Zürich mitwirkte. In ihrem kürzlich veröffentlichen Abschlussbericht bestätigt die Kommission das Geothermieprojekt als Verursacher des schadenbringenden Bebens.

Die Expertenkommission untersuchte dafür die tektonischen Spannungsverhältnisse, die lokale Geologie, die induzierte Seismizität, die Bohrdaten sowie jene der hydraulischen Stimulationen. Das Projekt in Pohang sah vor, in 4 bis 5 Kilometern Tiefe im kristallinen Grundgestein einen Wärmetauscher zu erzeugen. Ein solches petrothermales Geothermieprojekt wurde 2006 auch in Basel angestrebt. Dazu wird unter hohem Druck Flüssigkeit in den Untergrund gepumpt, was erwartungsgemäss zahlreiche kleinere Beben auslöst. In Pohang haben diese Injektionen, unbemerkt von den Betreibern, immer wieder Erdbeben auf einer vorher unbekannten grösseren Verwerfungszone angeregt. Die anscheinend tektonisch vorgespannte Verwerfung wurde dadurch geschwächt bis es zum Magnitude 5.5 Erdbeben kam. Während der kausale Zusammenhang nun gesichert ist, stellt sich die Expertenkommission die Frage, welche Lehren aus diesem Ereignis zu ziehen sind.

Die Expertenkommission stellt dem Projekt kein gutes Zeugnis aus: Rückblickend wurden Versäumnisse in allen Phasen des Projekts festgestellt. Vor Beginn der Arbeiten zeigten die geologischen Untersuchungen, dass gewisse Brüche kritisch vorgespannt waren. Dieser Umstand hätte aufgrund der Nähe zu einer mittelgrossen Stadt samt wichtigem Industriehafen zu einer Anpassung der Risikoeinschätzung führen sollen. Anschliessend begannen die ersten Stimulationen beim Bohrloch PX-2. Die geologischen Berichte halten fest, dass grosse Mengen der hineingepumpten Flüssigkeit versickerten. Dies ist unüblich und deutet darauf hin, dass das Bohrloch eine grösser Störzone durchläuft – ein weiteres Alarmzeichen. Das Austreten der Flüssigkeit vergrösserte lokal den Druck auf der Verwerfungszone und verursachte schon frühzeitig zahlreiche kleinere Erdbeben. Diese erhöhte induzierte Seismizität wurde jedoch erst im Anschluss an das Magnitude 5.5 Beben analysiert.

Die Kommission geht auch auf die zwei Monate ein, welche zwischen den letzten Stimulationsarbeiten und dem schadenbringenden Beben liegen. Sie wurden immer wieder als Hinweis gedeutet, dass kein Zusammenhang zwischen dem Projekt und dem Beben besteht. Der Bericht verweist jedoch auf Erkenntnisse aus anderen Projekten. Sie belegen, dass induzierte Seismizität oft nicht mit dem Ende der Stimulationen endet. Für künftige Projekte empfiehlt die Kommission im Vorfeld unter Einbezug der Behörden und aller relevanten Experten eine umfassende Risikoanalyse zu erarbeiten und diese laufend zu aktualisieren. Zudem gilt es ein verlässliches Echtzeit-Überwachungssystem einzurichten, stetig die Prozesse und die Injektionsstrategie zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren sowie Massnahmen zur Risikoreduktion festzuschreiben und zu kommunizieren.

Der Kanton Jura hat kurz nach dem Beben in Pohang eine Überprüfung der Risikoanalyse für das geplante petrothermale Geothermieprojekt in Haut-Sorne angeordnet. Der Betreiber, die Geo Energie Suisse AG, hat dazu ein Gutachten verfasst, das der SED nun im Auftrag des Kantons unter Berücksichtigung aller bekannten Erkenntnisse aus Pohang prüft. Der SED ist zudem an den Forschungsarbeiten im «Bedretto Underground Laboratory for Geoenergies» beteiligt. Dort erforscht die ETH Zürich gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern, ob es Techniken und Verfahren gibt, die es ermöglichen, Erdwärme sicher, effizient und langfristig zu nutzen.

 

Science Artikel «Managing injection-induced seismic risk» (Englisch)

Bericht der Kommission (Koreanisch und Englisch)

Science Artikel «The November 2017 Mw 5.5 Pohang earthquake: A possible case of induced seismicity in South Korea» (Englisch)

Erdbeben und Geothermie: Lehren aus Pohang

15.05.2019

Seismisches Wasserspiel

Sollte Sie die Sehnsucht packen, den Meereswellen zuzuschauen, brauchen Sie dafür nicht mehr weit zu reisen. Das Wasserspiel des Springbrunnens beim Zürcher Seebad Enge zeigt in Echtzeit, wie sich die Wogen des Atlantiks, des Mittelmeers oder der Ostsee verhalten. Zumindest ist dies das häufigste Signal, welches die seismische Station des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich im Degenried nahe des Dolders an die Brunnensteuerung übermittelt. Etwa einmal pro Woche ändert sich die Dynamik des Brunnens und zwar dann, wenn sich weltweit ein grosses Beben ereignet hat. Auch kleinere Schweizer Beben lassen sich mit etwas Glück entdecken.

Das seismische Netzwerk der Schweiz mit über 200 Stationen ist zwar darauf ausgelegt, Erdbeben aufzuzeichnen, es kann aber noch viel mehr. Die hochsensiblen Messgeräte erfassen neben den Bewegungen der Meereswellen das Rauschen des Waldes, Verkehrsströme oder Sprengungen in Steinbrüchen. Der SED wertet die aufgezeichneten seismischen Daten standardmässig nur nach Erdbeben und Sprengungen aus. Für das Aquaretum, den Springbrunnen im Zürichsee, wird ein kleiner Frequenzbereich des vorhandenen Signals verwendet, der harmonische Bewegungen der Wasserstrahlen erzeugt.

Das Wasser schiesst aus zwölf Wasserdüsen in bis zu 35 Meter Höhe. Sie sind in vier Dreiergruppen angeordnet, wobei je eine Gruppe die Beschleunigung, die Geschwindigkeit und den Weg des übermittelten Signals darstellt. Diese drei Parameter sind auch die Grundlage seismologischer Auswertungen.

Das Aquaretum ist ein Geschenk der Zurich Versicherungs-Gesellschaft an die Bevölkerung und Besucher der Stadt Zürich und wurde mit Unterstützung von Fischer Architekten, Klangkünstler Andres Bosshard und des Metallateliers realisiert.

25.04.2019

Im Felslabor, wo bereits kleinste Beben interessieren

Im Bedretto-Tal im Kanton Tessin entsteht derzeit eine einmalige Forschungsinfrastruktur: das Bedretto Laboratory for Geoenergies. Zusammen mit nationalen und internationalen Partnern wird die ETH Zürich darin Techniken und Verfahren untersuchen, die eine sichere, effiziente und langfristige Nutzung von Erdwärme ermöglichen sollen. Der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich installiert im und um das Felslabor sieben zusätzliche seismische Stationen. Sie ermöglichen es, rund um das Felslabor bereits kleinste Erschütterungen aufzuzeichnen.

Am 18. Mai 2019 wird das Bedretto Lab eröffnet. Nutzen Sie die Gelegenheit, das Felslabor zu besichtigen und tief im Berginnern die Geschichte der Alpen zu verfolgen. Vor dem Tunnelportal haben Sie zudem die Möglichkeit, mehr über die geplanten Arbeiten zu erfahren, ein Gesteinsquiz zu lösen, die Herstellung von Bohrkernen zu verfolgen oder die verschiedenen Messsysteme kennenzulernen.

Hier können Sie sich für die kostenlosen Führungen anmelden.

Informationen zur An- und Abreise finden Sie hier.

Informationen zum Felslabor (auf Englisch)

Im Felslabor, wo bereits kleinste Beben interessieren

23.04.2019

Erste mögliche Marsbeben registriert

Am 19. Dezember 2018 platzierte die NASA InSight-Mission ein Seismometer auf der Marsoberfläche. Aufgabe des Geräts ist es, Marsbeben zu erfassen, um das Innere des Planeten besser zu verstehen. Der Marsbebendienst unter der Leitung der ETH Zürich wertet die aufgezeichneten Daten seit Messbeginn stetig aus. Daran beteiligt sind Mitarbeitende des Schweizerischen Erdbebendienstes und der Gruppe für Seismologie und Geodynamik. Erst liess sich aus den Daten vor allem die Häufigkeit und Intensität von Staubteufeln erkennen. Dabei handelt es sich um kleine Wirbelstürme, die oft auf dem Mars vorkommen. Damit war bereits der Beweis erbracht, dass das Seismometer einwandfrei funktioniert. Am 6. April 2019 (Sol 128, 15:32 Uhr lokale Marszeit) entdeckten ETH-Forschende im Rahmen ihres Einsatzes für den Marsbebendienst ein potentielles Marsbeben in den Daten. Es ist das erste Signal, das aus dem Inneren des Mars zu kommen scheint. Die genauen Ursachen sind aber noch unbekannt und werden derzeit untersucht.

Drei weitere Signale, die wahrscheinlich auf einen seismischen Ursprung zurückzuführen sind, traten am 14. März, 10. April und 11. April 2019 auf. Sie sind weniger eindeutig als jenes vom 6. April, scheinen aber weder von atmosphärischen Störungen noch von anderen bekannten Geräuschquellen zu stammen. Sie waren schwächer als die Signale des Ereignisses vom 6. April und wurden nur von den empfindlicheren Breitbandsensoren aufgezeichnet. Das InSight-Team wird diese Ereignisse weiter auswerten und versuchen, ihren Ursprung zu ermitteln.

Diese ersten Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass sich Marsbeben von Erdbeben unterscheiden. Berücksichtigt man ihre Grösse sowie ihre lange Dauer, ähneln sie eher den Beben, die vom Apollo-Programm auf dem Mond aufgezeichnet wurden. Während auf der Erde mehrheitlich die Plattentektonik Beben verursacht, bewirken auf dem Mond die Abkühlung und die Kontraktion Beben. Welche Prozesse für Beben auf dem Mars verantwortlich sind, konnte noch nicht komplett entschlüsselt werden. Als gesichert gilt, dass sich so lange Spannung aufbaut, bis diese stark genug ist, um die Kruste aufzubrechen. Verschiedene Materialien können die Geschwindigkeit seismischer Wellen verändern oder diese reflektieren, so dass Wissenschaftler die Wellen nutzen können, um Erkenntnisse über das Innere des Planeten zu gewinnen und Modelle über seine Entstehung zu erstellen. Die bisher aufgezeichneten Ereignisse sind zu klein, als dass sie nützliche Daten über das tiefe Innere des Mars liefern könnten. Dennoch bilden sie einen Meilenstein der InSight-Mission und belegen, wie gut die an der ETH Zürich entwickelten Datenverarbeitungs- und Analysesysteme funktionieren.

Erste mögliche Marsbeben registriert

04.02.2019

Können Tiefbohrungen Erdbeben auslösen?

In der Schweiz erfolgten bisher über hundert Bohrungen, die in Tiefen von 400 Metern oder mehr vordrangen (sogenannte Tiefbohrungen). Sie dienten unter anderem dazu, den Untergrund zu erkunden, sei es für Tunnelbauten, Erdwärmenutzung, potentielle Endlagerstandorte, Rohstoffexplorationen oder um Grund- und Thermalwasserquellen zu erschliessen. Weltweit sind es Hunderttausende. Bisher sind keine schadenbringenden Beben bekannt, die alleine durch Tiefbohrungen ausgelöst worden sind. Die einfache Antwort auf die im Titel gestellte Frage lautet daher: Nur durch Tiefbohrungen und ohne weiterführende Eingriffe in den Untergrund verursachte Schadensbeben sind extrem unwahrscheinlich. Dokumentiert sind allerdings durch Tiefbohrungen verursachte Mikroerdbeben mit Magnituden von unter 1. Mit Hilfe eines dichten seismischen Netzwerks lassen sich solche Mikroerdbeben zuverlässig aufzeichnen und es kann besser festgestellt werden, ob diese mit den Tiefbohrungen in Zusammenhang stehen oder natürlichen Ursprungs sind.

Trotz der sehr grossen Anzahl an Tiefbohrungen weltweit ist die Datenlage über Erdbeben in diesem Zusammenhang spärlich. Dies liegt einerseits daran, dass die Wahrscheinlichkeit für solche Beben sehr gering ist. Andererseits erfolgten viele Tiefbohrungen in unbewohnten Gebieten. Möglicherweise spürbare Beben wurden somit von der Bevölkerung nicht wahrgenommen und rapportiert. Vielerorts wurden und werden solche Bohrungen zudem nicht seismisch überwacht. Dies verunmöglicht es, kleinere induzierte Erdbeben zuverlässig zu erfassen. In der Schweiz sind zum Beispiel einige Mikroerdbeben dokumentiert, die bei der Zementierung des Bohrlochs für das Basler Geothermieprojekt auftraten. Das stärkste wies eine Magnitude von 0.7 auf und setzte damit 500-mal weniger Energie frei als ein Beben mit einer Magnitude von 2.5. Ab dieser Stärke können Beben üblicherweise verspürt werden.

Physikalisch sind die Prozesse recht gut verstanden, weshalb Tiefbohrungen in gewissen Fällen Erdbeben auslösen: Tiefbohrungen verursachen teilweise lokale Spannungs- und Porendruckänderungen im Gestein, die in manchen Fällen eine tektonisch vorgespannte Bruchfläche in der näheren Umgebung reaktivieren und damit ein Erdbeben verursachen können. Derartige Spannungsänderungen treten in der Regel aber nur bei den folgenden zwei Begebenheiten auf: Erstens, wenn eine Schicht mit hohen Fluiddrücken angebohrt wird. In diesem Fall kann unter gewissen Umständen das Gesteinsfluid (Flüssigkeit oder Gas) in das Bohrloch eindringen. Dies verursacht einen Überdruck im Bohrloch, der sich in der Regel kontrolliert abbauen lässt. Alternativ wird das Bohrloch an der entsprechenden Stelle in der Tiefe abgedichtet. Zweitens, wenn eine Schicht getroffen wird, die über einen sehr hohe Fluiddurchlässigkeit oder eine geringe Gesteinsfestigkeit verfügt. Dann kann es vorkommen, dass ein Teil der Bohrspülung oder des Zements ins Umgebungsgestein eintritt. Die Bohrspülung ist notwendig, um den Abrieb der Bohrung an die Oberfläche zu befördern und um das Bohrloch während des Vortriebes zu stabilisieren. Nach Abschluss einer Bohrsektion wird das Bohrloch mit einer einzementierten Verrohrung versehen, damit es langfristig zugänglich bleibt. Meist sind die von den Spannungsänderungen betroffenen Gesteinsvolumen aber klein. Daher ist auch die Wahrscheinlichkeit ausserordentlich gering, einen grösseren, vorgespannten Bruch zu aktiveren und damit ein grösseres, potentiell spürbares Beben auszulösen.

Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich empfiehlt in seinen Leitfaden zum Umgang mit induzierten Beben für reine Tiefbohrungen (z. B. Erkundungsbohrungen) normalerweise keine seismische Überwachung. Zur Beweissicherung und zur besseren Unterscheidung von natürlicher und induzierter Seismizität kann es jedoch sinnvoll sein, eine zusätzliche Station nahe eines Bohrstandorts zu installieren. Aktuell verdichtet der SED zu diesem Zweck beispielsweise im Auftrag der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) sein Netzwerk, um Erkundungsbohrungen in der Nordostschweiz zu überwachen.

Können Tiefbohrungen Erdbeben auslösen?

28.01.2019

Erdbeben in der Schweiz im Jahr 2018

Über 900 Erdbeben mit Magnituden zwischen -0.2 und 4.1 zeichnete der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich vergangenes Jahr in der Schweiz und im angrenzenden Ausland auf. 25 davon hatten eine Magnitude von 2.5 oder grösser. Ab dieser Stärke spürt sie die Bevölkerung in der Regel. 2018 geht damit als durchschnittliches Erdbebenjahr in die Geschichte ein, das uns dennoch viel lehrt. Denn jedes noch so kleine Beben liefert wertvolle Informationen über den Untergrund und verbessert damit die Abschätzung künftiger Beben.

Dank des dichten und hochempfindlichen Erdbebenmessnetzes der Schweiz können an den meisten Orten in der Schweiz bereits kleinste Beben erfasst und ausgewertet werden. Sie zeigen auf, wo sich aktuell und über die Jahre hinweg aktivere oder weniger aktive Verwerfungen befinden und gewähren Einblicke in die Bruchprozesse tief unter unseren Füssen. Die von Erdbeben ausgelösten seismischen Wellen verraten zudem etwas über den Untergrund, den sie durchlaufen. Die Geschwindigkeit mit der sie sich fortbewegen erlaubt beispielsweise Rückschlüsse auf die physikalischen Eigenschaften des Gesteins an dieser Stelle. Diese Erkenntnisse tragen zu einer akkurateren Gefährdungsabschätzung bei, weshalb auch ruhigere Erdbebenjahre einen wichtigen Erkenntnisgewinn liefern.

Die stärksten und von der Schweizer Bevölkerung am weiträumigsten verspürten Beben ereigneten sich am 17. Januar sowie am 1. Februar 2018 nahe der Grenze im österreichischen Klostertal (Montafon). Beiden Beben erreichten eine Magnitude von 4.1. Das mit einer Magnitude von 3.2 grösste Beben innerhalb der Schweiz ereignete sich am 23. August nahe der Dents de Morcles im Kanton Wallis. Beim SED gingen an die 400 Verspürtmeldungen zu diesem Beben ein, hauptsächlich aus dem Rhonetal, in dem der weiche Untergrund die Erschütterungen besonders verstärkte. Weitere von der Bevölkerung teils deutlich wahrgenommene Erdbeben ereigneten sich unter anderen nahe Châtel-St-Denis an der Grenze der Kantone Waadt und Freiburg am 15. und 16. Mai (Magnitude 3.1 und 2.9), im Kanton Wallis bei Martigny am 3. November (Magnitude 2.9) und nahe Freiburg am 29. Dezember (Magnitude 2.9). Lediglich die Beben im Klostertal führten zu kleineren Schäden wie Rissen in Fassaden.

Zudem traten auch im vergangenen Jahr einige bemerkenswerte Erdbebenschwärme auf. Dabei ereignen sich über einen längeren Zeitraum zahlreiche Beben, ohne dass eine klare Abfolge von Vor-, Haupt- und Nachbeben besteht. Hervorzuheben ist eine Serie von Erdbeben nordöstlich von St. Léonard nahe Sion im Kanton Wallis. Diese Sequenz steht im Zusammenhang mit einer Verwerfung, an der seit 2014 immer wieder Phasen mit erhöhter seismischer Aktivität beobachtet wurden. Sie ist vermutlich Teil der Rhone-Simplon-Verwerfung, die sich in diesem Bereich in einzelne Segmente aufzuteilen scheint. Eine weitere erwähnenswerte Bebensequenz trat im Grenzgebiet zwischen Italien, Frankreich und der Schweiz auf, im Osten des Mont Blanc Massives. Der SED lokalisierte in diesem Gebiet letztes Jahr an die 100 Erdbeben mit Magnituden zwischen 0 und 2.2.

Allgemein gesehen konzentrierte sich die Erdbebenaktivität im Jahr 2018, wie in den vergangenen Jahren, vor allem auf das Wallis, den Kanton Graubünden und die Gebiete entlang der Alpenfront. Trotz dieser Konzentration zeigt sich über einen längeren Zeitraum, dass es hierzulande keine Regionen ohne Erdbeben gibt. Im langjährigen Durchschnitt ereignet sich im Erdbebenland Schweiz alle 50 bis 150 Jahre ein folgeschweres Beben mit einer Magnitude von 6 oder grösser.

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17.01.2019

Experiment untersucht, wie geklüfteter Fels CO2 zurückhält

Um die ambitionierten UN-Klimaziele zu erreichen, genügt es nicht, lediglich den Ausstoss von Treibhausgasen zu vermindern. Eine ergänzende Option besteht darin, CO2 direkt aus industrieller Produktion oder aus der Atmosphäre abzuscheiden und dauerhaft im tiefen Untergrund zu speichern. Sogenannte negative Emissionen lassen sich jedoch nur erreichen, wenn das abgeschiedene CO2 für Jahrhunderte sicher gelagert bleibt. Einmal ins Reservoir injiziert, könnte das CO2 auf zwei Arten wieder entweichen: Durch bestehende Bohrungen, oder durch bestehende Störzonen im Deckgestein. Ein intaktes Deckgestein ist wichtig, um das Reservoir abzudichten. Störzonen im Deckgestein, die durch die Injektion aktiviert werden könnten, beeinflussen nicht nur, wie gut das CO2 langfristig zurückgehalten wird. Sie sind auch die Stelle, an der Erdbeben stattfinden können.

Derzeit werden die physikalischen und chemischen Prozesse nicht vollständig verstanden, die beeinflussen, ob und wie CO2 durch Störzonen entweicht. Ebenfalls unklar ist, welchen Einfluss CO2-Injektionen auf Verformungen des Gesteins und chemische Interaktionen haben, die Erdbeben auslösen können. Zudem weiss man erst wenig über die spezifischen Bedingungen im Schweizer Untergrund. Dies macht es derzeit schwierig zu beurteilen, in welchem Umfang unterirdische CO2-Speicherung hierzulande eine Option sein könnte. Aus diesen Gründen führen Wissenschaftler des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich und des SCCER-SoE ein Experiment durch, für das sie mit dem Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik und dem Institut für Geophysik der ETH Zürich sowie der Swisstopo und der EPFL zusammenarbeiten. Das im Felslabor Mont Terri durchgeführte Experiment ist Teil des ELEGANCY-Projekts, welches von der EU-Kommission und dem Bundesamt für Energie finanziert wird.

Die Wissenschaftler untersuchen, wie sich CO2 in geklüftetem Fels bewegt, unter welchen Bedingungen induzierte Seismizität auftritt und wie ein solches Reservoir am besten überwacht werden soll. Dazu werden sie kleine Mengen von CO2-angereichertem Salzwasser in ein Bohrloch injizieren, das eine kleine Störzone durchstösst. Um herauszufinden, wie der zerklüftete Fels in dieser Störzone auf das CO2 reagiert, werden sie die Stabilität des Felsens beobachten und untersuchen wie Scherverschiebungen, Porendruck und Fliesswege zusammenhängen. Aktive und passive seismische Sensoren werden Veränderungen der seismischen Geschwindigkeiten nahe der Injektion überwachen und mögliche Mikroerdbeben mit Magnituden von unter Null erfassen.

Im Unterschied zu einem operationellen, grossen CO2-Speicherungsprojekt untersucht dieses Experiment die relevanten Prozesse nur mit kleinen Mengen an CO2-angereichertem Salzwasser. Nichtsdestotrotz werden die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, die relevanten Prozesse besser zu verstehen, welche die Bewegungen des CO2 durch Störzonen beeinflussen. Damit leistet das Experiment auch einen Beitrag für eine verbesserte Standortcharakterisierung. Weltweit werden bereits etwas zwanzig CO2-Speicherprojekte betrieben, von denen jedes bis zu drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abgeschieden und gespeichert hat. Weitere sind in Planung. In der Schweiz ist aktuell kein CO2-Speicherprojekt geplant.

Erfahren Sie mehr über das ELEGANCY-Projekt:

www.sintef.no/elegancy/

www.sccer-soe.ch/research/pilots-demos/elegancy/

Experiment untersucht, wie geklüfteter Fels CO2 zurückhält