Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich führt im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Kanton Jura eine unabhängige seismische Grundüberwachung für das geplante Tiefengeothermieprojekt in Haute-Sorne (JU) durch. Die seismische Grundüberwachung kann bereits in der Planungsphase von Geothermieprojekten die Kenntnisse über die natürliche lokale Seismizität verbessern. In der Explorationsphase und der noch nicht bewilligten Stimulationsphase des Geothermieprojekts soll sie dazu beitragen, Erdbeben schnell und präzise zu erkennen. Sie hilft dabei zu klären, ob diese mit den Aktivitäten des Geothermieprojekts zusammenhängen oder natürlichen Ursprungs sind.
Zusätzlich unterstützt der SED auf Anfrage die jurassischen Behörden, indem er sein Fachwissen zu wissenschaftlichen und praxisbezogenen Aspekten der induzierten Seismizität zur Verfügung stellt. Diese Unterstützung beinhaltet in der Regel die Überprüfung von Dokumenten und Studien des Betreibers in Bezug auf induzierte Seismizität sowie die aktive Teilnahme an der vom Kanton eingesetzten projektbegleitenden Expertengruppe.
Der Kanton Jura und der SED arbeiten seit September 2022 im Rahmen des vom Bundesamt für Energie (BFE) finanzierten Projekts GEOBEST2020+ zusammen.
Die Geo-Energie Jura SA (GEJ), eine Tochtergesellschaft der Geo-Energie Suisse AG (GES), plant den Bau eines geothermischen Kraftwerks in Haute-Sorne. Dabei soll die Technologie des „Enhanced Geothermal System“ (EGS) zum Einsatz kommen (petrothermales System). Mithilfe dieses Verfahrens will man in einer Tiefe von ca. 4.5 km einen Wärmetauscher schaffen, indem man die Durchlässigkeit des kristallinen Grundgesteins erhöht.
Im Gegensatz zur hydrothermalen Geothermie, die bereits in anderen Teilen der Schweiz und Europas genutzt wird, stützt sich EGS nicht oder nur in geringem Masse auf die Nutzung bereits vorhandener Durchlässigkeiten, wie sie beispielsweise in grossen Störungszonen oder karstigen geologischen Strukturen vorkommen. EGS kann daher theoretisch in zahlreichen geologischen Umgebungen eingesetzt werden. EGS beinhaltet eine absichtliche Erhöhung der Durchlässigkeit bestehender Rissnetzwerke im Untergrund, wobei als Werkzeug viele kleine Erdbeben dienen, die durch die Injektion von Wasser unter hohem Druck ausgelöst werden. Während EGS-Projekte mancherorts schon zur Wärme- und Energieerzeugung beitragen, haben sie in manchen Fällen auch spürbare Erdbeben verursacht. In einem Fall waren diese Beben stark genug, um substanzielle Schäden zu verursachen (siehe Aktuellbeitrag zum Erdbeben in Pohang, Südkorea). Dieses Ereignis veranlasste den Kanton Jura, von GES eine Neubewertung des Erdbebenrisikos im Rahmen des geplanten Geothermieprojekts in Haute-Sorne zu verlangen. Der SED hat diese Bewertung anschliessend im Auftrag des Kantons überprüft (Bericht auf Englisch oder Französisch).
Eine hochauflösende seismische Überwachung und geeignete Methoden zur Risikobewertung und -vorsorge sind daher während des gesamten EGS-Prozesses erforderlich, um die Sicherheit zu gewährleisten und potenzielle Risiken zu minimieren. Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass angemessen überwachte, tiefe petrothermale oder hydrothermale Projekte spürbare grössere Erdbeben auslösen, gilt es diese nicht zu vernachlässigen.
Forschende und Fachpersonen aus der Industrie haben das Mehrstufen-Stimulationsverfahren angewandt und verfeinert, welches darauf abzielt, die Auswirkungen der hydraulischen Stimulation auf das kristalline Grundgebirge besser zu kontrollieren. Damit soll sich das Risiko einer unwirksamen Permeabilitätserhöhung und induzierten Seismizität verringern lassen. Bei diesem Ansatz wird versucht, jeweils nur ein begrenztes Gesteinsvolumen zu stimulieren und in mehreren, voneinander getrennten Stimulationsphasen allmählich ein ausreichend grosses geothermisches Reservoir zu schaffen. Dieses Verfahren unterscheidet sich von der einstufigen, massiven Stimulationsstrategie, die beispielsweise bei den EGS-Projekten in Basel 2006 oder Pohang 2017 angewandt wurde. Das Mehrstufen-Stimulationsverfahren soll die Kontrolle über den Stimulationsprozess verbessern und ihn so leichter steuerbar und sicherer machen. Es wurde bereits in kleinerem Massstab im BedrettoLab der ETH Zürich getestet. GES plant, das von ihnen patentierte Mehrstufen-Stimulationsverfahren im Haute-Sorne-Projekt zu nutzen.