Im Wallis bebt die Erde schweizweit am häufigsten. Die Region weist daher die höchste Erdbebengefährdung der Schweiz auf, auch wenn sich das stärkste historisch bekannte Erdbeben in Basel (Basel 1356) ereignet hat.
Im Wallis und seiner unmittelbaren Umgebung zeichnete der SED im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre rund 270 Beben pro Jahr auf, wobei nur etwa zwei bis drei davon jährlich von der Bevölkerung verspürt wurden. Im statistischen Mittel ereignet sich im Wallis rund alle 100 Jahre ein Erdbeben mit einer Magnitude von ungefähr 6. Das entspricht einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr einem Prozent pro Jahr für ein solches Beben.
Wie ein Blick in die Vergangenheit bestätigt, ereignete sich in den letzten 500 Jahren praktisch jedes Jahrhundert ein schadenbringendes Erdbeben. Das letzte derartige Beben erschütterte im Januar 1946 die Umgebung von Sion, forderte vier Todesopfer und verursachte Sachschäden in Millionenhöhe. Heutzutage würden die Schäden eines Bebens dieser Magnitude aufgrund der dichteren Besiedlung und verletzbaren Infrastruktur um ein Vielfaches höher ausfallen.
In den vergangenen vierzig Jahre ereigneten sich im Wallis und seiner unmittelbaren Umgebung 62 Beben mit einer Magnitude von 3 oder grösser. Alle wurden von der lokalen Bevölkerung wahrgenommen. Sechs davon erreichten eine Magnitude von mehr als 4 und wurden über ein grösseres Gebiet verspürt. Das stärkste Beben in diesem Zeitraum ist das Beben von Vallorcine, an der Grenze zu Frankreich zwischen Martigny und Chamonix. Es ereignete sich am 8. September 2005 und erreichte eine Richter-Magnitude von 4.9 sowie eine Epizentralintensität von V. Letzteres bedeutet, dass es an mehreren Gebäuden Schäden wie Risse im Mauerwerk verursachte sowie einige kleine Felsstürze und Hangrutschungen entlang von Strassenböschungen auslöste. Schon in den vorhergehenden Jahren sind im gleichen Epizentralgebiet kleinere nicht spürbare Beben aufgetreten. Dem Hauptbeben von Vallorcine folgte eine lange andauernde Serie von mehreren hundert Nachbeben; noch 2014 wurde dort ein Beben mit einer Magnitute von 3.2 verzeichnet.
Magnitude | Anzahl |
ML ≥ 2.0 | 998 |
ML ≥ 2.5 | 314 |
ML ≥ 3.0 | 109 |
ML ≥ 4.0 | 11 |
Datum | Magnitude | Ort |
05.03.1977 | 4.1 | Iffigenalp |
30.09.1989 | 4.1 | Wildhorn |
14.02.1990 | 4.2 | Bonneveaux |
14.06.1993 | 4.2 | Domodossola |
31.03.1996 | 4.2 | Valpelline |
08.09.2005 | 4.9 | Vallorcine |
24.10.2016 | 4.1 | Salgesch (VS) |
01.07.2017 | 4.3 | CHATEAU-D'OEX (VD) |
28.05.2019 | 4.2 | Novel (F) |
01.07.2021 | 4.0 | Furkapass/Rhonegletscher (VS/BE) |
05.10.2021 | 4.1 | Arolla (VS) |
Obwohl bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erste Seismographen in der Schweiz betrieben wurden, besteht erst seit 1975 ein einheitliches nationales seismisches Beobachtungsnetz. Dieses wurde laufend verdichtet und dem technologischen Fortschritt angepasst. Entsprechend hat sich mit der Zeit dessen Empfindlichkeit deutlich erhöht und die Lokalisiergenauigkeit stark verbessert.
Die Verteilung der Epizentren der zwischen 1975 und 2014 instrumentell aufgezeichneten Erdbeben im Wallis und Umgebung ist recht unterschiedlich (siehe Epizenterkarte 1975 - 2014): Während die Bebenherde südlich des Rhonetals mit einigen punktuellen Häufungen eher diffus verteilt sind, konzentriert sich die Erdbebenaktivität nördlich des Rhonetals entlang einer langgestreckten von westsüdwestlich (WSW) nach ostnordöstlich (ENE) mehr oder weniger parallel zum Rhonetal verlaufenden Zone. Ausserdem war eine auffällige Häufung von Beben Richtung Chamonix an der Grenze zu Frankreich (Vallorcine) sowie östlich von Zermatt (Cima di Jazzi) zu beobachten. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass das Rhonetal selber praktisch keine Erdbebenherde aufweist, obwohl es einer Störungszone entspricht, die zwei unterschiedliche regionale tektonische Einheiten trennt und in der geologischen Vergangenheit seismisch aktiv gewesen sein muss.
Historische Überlieferungen sind die einzigen Informationen, die wir über Erdbeben in früheren Zeiten haben. Wie stark diese Beben waren, lässt sich aufgrund der dokumentierten Schäden rekonstruieren und in Form von Intensitäten beziffern. Obwohl es prinzipiell möglich ist, aus den beobachteten Intensitäten eine Magnitude abzuschätzen, ist letztere mit grossen Unsicherheiten behaftet.
Im Wallis und seiner Umgebung sind seit Anfang des 16. Jahrhunderts dreissig Erdbeben mit Intensitäten zwischen VI und VIII bekannt. Alle diese Beben haben leichte bis schwere Gebäudeschäden verursacht sowie zum Teil Verletzte und Todesopfer gefordert. Von diesen dreissig Beben sind acht Ereignisse Teil der Erdbebenserie von 1855 südlich von Visp und fünf Teil der Serie von 1946 nördlich von Sierre. Aus historischen Aufzeichnungen sind in der Schweiz insgesamt neun Erdbeben mit Intensitäten von mindestens VIII bekannt; fünf davon haben sich im Wallis ereignet.
Liste der bekannten Beben mit Intensität = VIII im Wallis und Umgebung:
Datum | Intensität | Ort |
??.04.1524 | VII | Ardon |
11.03.1584 | VIII | Aigle |
09.12.1755 | VIII | Brig / Naters |
25.07.1855 | VIII | Stalden / Visp |
25.01.1946 | VIII | Sierre / Ayant |
Über die vergangenen 500 Jahre hat sich im Mittel jedes Jahrhundert ein Erdbeben ereignet, das im Wallis grosse Gebäudeschäden verursacht hat. Je weiter man in der Zeit zurückgeht, umso unvollständiger ist die Information. Es ist aber davon auszugehen, dass im Wallis auch in der Zeit vor 1500 Erdbeben stattgefunden haben, die das Potential gehabt haben, schwere Gebäudeschäden zu verursachen. Das letzte Schadensbeben im Wallis war dasjenige vom 23. März 1960 bei Brig, welches eine Intensität von VII erreichte. Seitdem war es vergleichsweise ruhig, hat doch kein Beben die Intensität von V überschritten.
Für das Erdbeben von Visp vom 25. Juli 1855, mit einer geschätzten Magnitude von 6.2, ist es gelungen, das Ausmass der Schäden genau zu rekonstruieren. Dies gilt sowohl für die geographische Ausdehnung des Schadensgebietes, als auch für den Umfang der Schäden innerhalb der direkt betroffenen Ortschaften. Im Vispertal erreichte das Beben eine maximale Intensität von VIII und verwüstete grosse Teile der Ortschaften Visp, Stalden, Törbel, Grächen und St. Niklaus. Es forderte dutzende Verletzte und ein Todesopfer. Hunderte von Felsblöcken lösten sich, ganze Hänge rutschten, sackten zu Tal, verschütteten Strassen und liessen bestehende Quellen versiegen sowie neue entstehen. Noch in Genf, Basel, Zürich und Schaffhausen hatte das Beben Auswirkungen der Intensität VI, waren also leichte Gebäudeschäden zu verzeichnen und in Paris, Lyon, Genua, Ingolstadt und Mainz wurde das Beben verspürt. Eine Reihe von hunderten verspürten Nachbeben erstreckte sich über die folgenden Jahre, wovon bis Ende 1855 acht Beben mit Intensitäten zwischen VI und VIII weitere Gebäudeschäden anrichteten.
Das Erdbeben von Sierre am 25. Januar 1946 ist das stärkste Beben, welches sich im 20. Jahrhundert in der Schweiz ereignet hat. Aus ein paar im Ausland aufgezeichneten Seismogrammen konnte eine Momentenmagnitude von 5.8 berechnet werden, was einer Richter-Magnitude von ungefähr 6.1 entspricht. Das Beben forderte drei Todesopfer und verursachte schwere Schäden an rund 3‘500 Gebäuden in Sierre, Sion und Umgebung. Allein bis Ende 1946 folgten über 500 verspürte Nachbeben, wovon 4 die Intensitäten VI und VII erreichten. Besonders zu erwähnen ist das Nachbeben vom 30. Mai 1946, welches einen gewaltigen Bergsturz am Rawilhorn auslöste, dessen Spuren noch heute im Gelände sichtbar sind. Schon früher sind im weiteren Epizentralgebiet des Bebens von 1946 wiederholt Erdbeben dokumentiert worden und es ist möglich, dass auch die Konzentration von Erdbebenepizentren nördlich von Sion und Sierre, die noch heute in den Karten der instrumentell aufgezeichneten Ereignissen sichtbar ist, mit den Beben von 1946 in Zusammenhang steht.
Die Schadensumme des Bebens von 1946 entspricht einem heutigen Wert von ungefähr 26 Millionen CHF. Aufgrund der dichteren Bebauung wären die Folgen eines gleich starken Bebens heute viel grösser. Im Gegensatz zu 1946 ist der Talboden des Rhonetals mittlerweile dicht besiedelt und Standort grosser Industrieanlagen. Hinzu kommt ein ungünstiger Untergrund: In den weichen Sedimenten des Talbodens werden die Amplitude der Erdbebenwellen bis zu zehn Mal gegenüber einem harten Untergrund verstärkt. Das heisst, die Erschütterungen fallen hier viel stärker aus als an felsigen Standorten, was zu grösseren Gebäudeschäden bis hin zu Hauseinstürzen führen würde. Weil auch viele neue Gebäude einem starken Erdbeben unter diesen Bedingungen wahrscheinlich nicht standhalten würden, wären bis zu 7'000 mittel bis schwer beschädigte Gebäude zu erwarten. Weiter wäre mit bis zu 40 Todesopfern und bis zu 300 Verletzen, und mit bis zu 9'000 Schutzsuchenden zu rechnen. Die Gebäudeschäden eines solchen Szenarios beliefen sich auf etwa 2.5 Milliarden CHF.
Häufig treten Erdbeben im Wallis als Serien von Ereignissen auf, die der erwähnten punktuellen Konzentration von Erdbebenepizentren entsprechen. Die Dauer solcher Serien kann sehr unterschiedlich sein: einige sind nach wenigen Tagen vorbei, andere, wie die Serie von Vallorcine, dauern mehrere Jahre. Charakteristisch für viele solche Bebenserien ist, dass über einen längeren Zeitraum lokal begrenzt zahlreiche Beben auftreten, ohne dass eine klare Abfolge von Vor-, Haupt- und Nachbeben besteht. Man spricht in solchen Fällen auch von einem Erdbebenschwarm. Meistens endet die Schwarmaktivität nach einigen Wochen oder Monaten, in seltenen Fällen nehmen die Beben mit der Zeit in Stärke und Anzahl zu. Falls die Lage der einzelnen Herde in solchen Schwärmen mit genügender Präzision berechnet werden kann, definiert sie immer eine oder mehrere Flächen, welche der durch die Beben aktivierten Bruchflächen im Untergrund entsprechen. Zwei gut erforschter Beispiele solcher Erbebenschwärme im Wallis sind die Bebenserien von 2001 bei Martigny und von 2011 bei Sierre.
Zwischen dem 8. Januar und dem 24. Oktober 2001 wurden in der Nähe von Martigny 27 Ereignisse mit Magnituden zwischen 1.1 und 3.6 registriert. Davon traten zehn Beben zwischen dem 23. und 28. Februar auf, darunter zwei Beben mit Magnituden von 3.6 und 3.5. Die durch diese Bebenserie aktivierte südwestlich-nordöstlich (SW-NE) ausgerichtete senkrechte Bruchfläche liegt in rund 6 km Tiefe und hat eine Länge von fast 2 km.
Ein Schwarm von 31 Beben begann am 8. Januar 2011 bei Sierre. Davon ereigneten sich 16 Erdbeben in den ersten fünf Stunden, darunter auch zwei Beben mit Magnituden von 3.3 und 3.2. Weitere neun Ereignisse folgten in den nachfolgenden zwei Wochen und die restlichen sechs im Verlaufe des Jahres. Die einzelnen Erdbebenherde lagen in 6 bis 7 km Tiefe auf zwei senkrechten westöstlich (W-E) streichenden und zueinander leicht versetzten Bruchsegmenten mit einer Gesamtfläche von ca. 800 x 400 m.
Im Winter 1953/54 ereigneten sich im Gemeindegebiet von Val d’Illiez, westlich von Saint Maurice, zwölf Erdbeben mit geschätzten Magnituden zwischen 3 und 4. Verglichen mit den durchschnittlich ein bis zwei Beben pro Jahr mit Magnituden grösser als 3 im ganzen Wallis war diese Erdbebenserie aussergewöhnlich. Im Sommer zuvor wurde der rund 7 km südsüdöstlich gelegene Stausee von Salanfe zum ersten Mal befüllt. Im gleichen Winter trat eine neue Thermalquelle im Gemeindeteil Buchelieule in Erscheinung; sie wird noch heute als Thermalbad genutzt. Ein Zusammenhang zwischen dem Aufstauen des Sees und dem Austritt des Thermalwassers im Nachbartal ist aus dem Verlauf der dortigen Gesteinsschichten plausibel.
Dass Stauseen zu einer erhöhten seismischen Aktivität führen können, ist ein weltweit bekanntes Phänomen, denn das Aufstauen eines Stausees führt immer zu einer Erhöhung des Wasserdruckes im Untergrund. Da dadurch die Festigkeit des Gesteins verringert wird, können sich die im Gestein vorhandenen Spannungen in Form von Erdbeben plötzlich entladen. Die veränderten Druckverhältnisse sowie die mit den Erdbeben einhergehenden Bruchvorgänge im Gestein haben sehr wahrscheinlich neue Fliesswege im Untergrund geöffnet, was zum Wasseraustritt an der neuen Thermalquelle geführt hat.
Da im Staubecken von Salanfe grössere Mengen Wasser im Untergrund versickerten, blieb die maximal mögliche Staukote jahrelang unerreicht. Erst aufwendige bauliche Massnahmen, um das Seebecken abzudichten, ermöglichten im Herbst 1995 eine bisher unerreicht hohe Staukote. Im folgenden Winter war im Gebiet zwichen Lac de Salanfe und Val d’Illiez erneut eine markant erhöhte seismische Aktivität zu verzeichnen. Obwohl diesmal keines der Beben die Magnitude 3 erreichte, war die Anzahl von mehr als dreissig Ereignissen mit Magnituden grösser als 1 innerhalb eines halben Jahres, im Vergleich zum jährlichen Durchschnitt von rund acht Ereignissen pro Jahr, aussergewöhnlich. Der Fall von Val d’Illiez/Lac de Salanfe ist somit ein klassiches Beispiel von induzierten Erdbeben, die durch Störungen der hydraulischen Verhältnisse im Untergrund als Folge von menschlichen Eingriffen ausgelöst wurden.
Das Wallis weist neben der Region Basel die höchste Erdbebengefährdung in der Schweiz auf. Erdbebengerecht gebaute Wohn- und Geschäftsgebäude werden in der Schweiz für Erschütterungen ausgelegt, die an ihrem Standort durchschnittlich einmal innerhalb von 500 Jahren zu erwarten sind. Die Erdbebenzonenkarte bildet diesen Aspekt ab. Der grösste Teil des Wallis, insbesondere das Rhonetal, gehört zur Zone Z3b. In dieser werden innerhalb von 500 Jahren Erschütterungen erwartet, die maximal eine Intensität von VIII-IX erreichen (schwere bis zerstörende Gebäudeschäden). Der westlichste und östlichste Teil des Wallis sowie die angrenzende Nordflanke gehören zur Zone Z3a. In dieser werden innerhalb von 500 Jahren Erschütterungen erwartet, die maximal eine Intensität von VII-VIII erreichen (mittlere bis schwere Gebäudeschäden).
Neben Magnitude und Epizentraldistanz hat die Beschaffenheit des lokalen Untergrunds einen grossen Einfluss auf das Schadensausmass bei einem Erdbeben. Im Rhonetal beispielsweise können die lockeren Fluss- und Seeablagerungen die Erdbebenwellen verstärken und so zu einer bis zu zehnmal höheren Intensität der Bodenbewegung im Talboden gegenüber dem felsigen Untergrund der Talflanken führen. Um die Auswirkungen dieser sogenannten Standorteffekte bei historischen und zukünftigen Erdbeben zu verstehen, wird die Ausbreitung der seismischen Wellen am Computer simuliert und mit Aufzeichnungen von seismischen Messinstrumenten verglichen.
Die Auswirkungen von Erdbeben beschränken sich nicht auf Erschütterungen, welche direkt Gebäudeschäden verursachen. Häufig werden zusätzliche Schäden durch Naturgefahren verursacht, die von Erdbeben ausgelöst werden. Wassergesättigte Lockersedimente können sich durch Erschütterungen verflüssigen, dabei jegliche Festigkeit verlieren und zum vollständigem Einsturz von Gebäuden mit nicht-standortgemässen Fundamenten führen. In gebirgigen Regionen sind häufig labile Hänge vorhanden: Durch Erdbeben verursachte Erschütterungen können diese ihre Festigkeit plötzlich verlieren und als Steinschlag oder Rutschungen zu Tal stürzen und so insbesondere Verkehrsverbindungen sowie Energie- und Kommunikationsinfrastruktur zerstören. Im Winter gilt das gleiche für Lawinen. Ausserdem können Uferböschungen sowie aus Lockersedimenten bestehende Flanken von Seebecken ins Rutschen geraten. Diese können gewaltige Wasserwellen auslösen, die sich als Tsunami über einen See ausbreiten und verheerende Überschwemmungen verursachen. Wie Untersuchungen vergangener Erdbeben zeigen, sind das Wallis mit seinen weichen Talböden und den steilen Gebirgsflanken sowie die angrenzenden Gebiete mit dem Genfersee diesen zusätzlichen durch Erdbeben ausgelösten Naturgefahren ausgesetzt. Bei der Beurteilung des Erdbebenrisikos ist dies unbedingt zu berücksichtigen. Das Erdbebenrisikomodell der Schweiz berücksichtigt solche sekundären Folgen von Erdbeben allerdings noch nicht.
Neben einer hohen Erdbebengefährdung sind viele Teile des Wallis auch von einem hohen Erdbebenrisiko betroffen. Betroffen von einem hohen Erdbebenrisiko sind insbesondere grössere Ortschaften im Rhonetal.
Ein Beben mit einer Magnitude von 6 bei Sion würde gemäss den Schätzungen des Erdbebenrisikomodells beispielsweise Gebäudeschäden in der Höhe von rund 4.5 Milliarden CHF verursachen, ungefähr 100 Todesopfer fordern und ca. 700 Personen verletzen. Ein solches Beben tritt in diesem Gebiet im statistischen Durchschnitt alle 340 Jahre auf.
Grundsätzlich werden Erdbeben durch den plötzlichen Abbau von Spannungen in der Erdkruste verursacht. Diese Spannungen werden durch grossräumige Kontinentalbewegungen hervorgerufen. Wenn sie die Festigkeit des Gesteins überschreiten, kommt es entlang vorhandener Schwächezonen im Untergrund zu einem plötzlichen Bruch, der die an der Erdoberfläche wahrgenommenen Erdbebenwellen auslöst. Die moderne Seismologie erlaubt es, Rückschlüsse über die verursachenden Spannungen aus den Erdbebenbeobachtungen zu ziehen und somit regionale Unterschiede des Spannungsfeldes abzuleiten.
Im Nordwallis, wie auch im nördlichen Alpenvorland entsprechen diese Spannung denjenigen, die aus der Öffnung des Atlantiks und der Kollision zwischen Afrika und Europa zu erwarten sind und auch für die Entstehung der Alpen verantwortlich sind. In den südlichen Walliser Alpen hingegen sind die Erdbeben meist Zeugen einer Dehnung: Sie ist das Resultat einer Überlagerung von Spannungen, die der andauernden Kollision zwischen Afrika und Europa entsprechen, und von Ausgleichsspannungen, die durch die Topographie der Alpen und ihrer Wurzel bedingt sind. Offensichtlich haben sich die Spannungsverhältnisse in der Erdkruste über die Jahrmillionen geändert.