Statusübersicht verschiedener seismischer Stationen.
Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) überwacht die seismische Aktivität in der Schweiz und den angrenzenden Regionen in Echtzeit mit einem Netz von über 400 Stationen, von denen 300 vom SED betrieben werden und 200 Teil des nationalen Netzwerks sind. Die vom SED betriebenen Stationen sind über das ganze Land verteilt und an verschiedenen Orten, unter anderem in Höhlen, Tunneln und sogar in Bohrlöchern installiert.
Die Schweiz benötigt ein seismisches Netzwerk, um die Hintergrundseismizität zu überwachen und die Folgen seltener, grosser Erdbeben, die beträchtliche Schäden verursachen, zu verstehen. Dies ist auch in einem Land mit einem mässigen Erdbebenrisiko wie in der Schweiz wichtig. Ein dichtes, hochmodernes Netzwerk, das die Erdbebenaktivität in Echtzeit überwacht, erfüllt diese Aufgabe und informiert schnell Behörden, Medien und Öffentlichkeit über Erdbeben infolge erheblicher seismischer Ereignisse. Zudem stellt es hochwertige Daten für Risikostudien und grundlegende Erdbebenforschung bereit.
Das dichte seismische Netzwerk der Schweiz besteht aus hochentwickelten, modernen und rauscharmen Stationen mit Echtzeit-Datenübermittlung an verteilte Datenverarbeitungszentren an der ETH Zürich. Die Daten werden analysiert und die Ereignisse binnen weniger Sekunden nach ihrem Eintritt gemessen.
Die seismischen Daten stammen aus folgenden Quellen:
Spezielle (häufig temporäre) Netzwerke werden zur Überwachung erhöhter natürlicher Erdbebenaktivität eingesetzt, um beispielsweise Nachbeben zu messen oder Forschungs- und Ausbildungsprojekte zu unterstützen. Zudem dienen sie dazu, induzierte Beben infolge von Geothermieprojekten zu überwachen oder um andere, gewerbliche Aufträge von Dritten auszuführen.
Eine Station des nationalen seismischen Netzes hat eine besondere Doppelfunktion. Die Station mit der Bezeichnung CH.DAVOX ist auch Teil des Internationalen Überwachungssystems (IMS) zur Atomteststoppüberwachung.
Die instrumentelle Überwachung der Erdbebenaktivität in der Schweiz begann im frühen 20. Jahrhundert (siehe Geschichte des SED). Seitdem nimmt die Schweiz bei der Erdbebenüberwachung in Europa eine führende Rolle ein.
In den 1970er Jahren wurde ein kurzperiodisches seismisches Hochleistungs-Telemetrienetzwerk installiert, das Daten auf Mikrofilm aufzeichnete.
Mitte der 1980er Jahre bestand das Netzwerk aus einem dichten Netz von Hochleistungssensoren mit Funkkommunikation, die auf einem zentralen Rechnersystem mit automatischer Verarbeitung für die Erdbebenmessung digitalisiert wurde. Diese Sensoren wurden auf festem Fels an sehr rauscharmen Stellen platziert, um ihnen die Aufzeichnung der Hintergrundseismizität in der Schweiz zu ermöglichen.
In den frühen 1990er Jahren wurde das Starkbebennetzwerk der Schweiz (SSMNet) mit Wählverbindungen und Auslösung der 12- bis 16-Bit-Instrumentierung eingerichtet. Die Stationen wurden an 70 Freifeld-Standorten vornehmlich in Siedlungsgebieten und im Bereich von 6 Talsperren installiert. Dieses Netzwerk zielte auf Gebiete ab, in denen das seismische Risiko hoch ist und wo zu erwarten stand, dass heftige lokale Auswirkungen die durch Erdbeben ausgelösten Bodenbewegungen verstärken.
In den späten 1990er Jahren wurden die kurzperiodischen Sensoren durch Breitbandsensoren mit 24-Bit-Datenloggern ersetzt und die GPS-Zeitmessung wurde eingeführt. Auch die Kommunikation wurde auf ein sicheres Internetsystem mit hoher Bandbreite umgestellt. In den 2000er Jahren wurde damit begonnen, eine geringe Anzahl von Breitbandseismometern von ähnlicher Qualität zu installieren.
In jüngerer Zeit wurden die nationalen Netze SDSNet und SSMNet unabhängig voneinander erweitert und modernisiert. Zwischen 2009 und 2024 wurden landesweit 100 neue moderne Starkbeben-Sensoren installiert. Zwischen 2023 und 2024 wurde das SDSNet modernisiert und auf rund 60 Basis-Stationen erweitert. Das neue, moderne Netzwerk, welches das Breitbandnetz (SDSNet) und das Starkbebennetz (SSMNet) umfasst, wird als nationales Netzwerk der Schweiz (CHNet) bezeichnet.
Die seismischen Daten werden im SED-Datenverarbeitungszentrum an der ETH Zürich gesammelt, das ein Standard-SeedLink-Kommunikationsprotokoll verwendet. Die Daten aus den Starkbeben-, Breitband- und kurzperiodischen Stationen werden gegebenenfalls für alle Datenverarbeitungsvorgänge genutzt. Sofern die Signalqualität ausreichend ist, können selbst Starkbebenstationen an Orten mit hohem Rauschen bei der automatischen Lokalisierung von Erdbeben helfen, und alle seismischen Daten im Skalenbereich können für die Erstellung von ShakeMaps verwendet werden.
Um die Robustheit des Systems sicherzustellen und es gegen einzelne Hardwarefehler abzusichern, werden alle erfassten und verarbeiteten Daten an zwei verschiedenen Stellen an der ETH Zürich dupliziert.
Wellenformdaten werden mithilfe von SeisComP, einer umfassenden, vom GFZ Potsdam entwickelten Erdbebenüberwachungsplattform, in Echtzeit verarbeitet. Diese Software wird auch für manuelle Prüfungen und das abschliessende Management des Erdbebenkatalogs verwendet. Die automatische Erkennung und Bezifferung von Ereignissen (Feststellung von Ort und Magnitude der Ereignisse) ist in der Regel binnen 30 Sekunden abgeschlossen, nachdem es zu einem Erdbeben kam. Aufzeichnungen aller seismischen Ereignisse werden unverzüglich auf der SED-Website veröffentlicht. Sofern das Erdbeben als stark genug gilt, um vor Ort gespürt zu werden, werden Alarmmeldungen an Behörden, Medien und zuständige Wissenschaftler gesendet, die das Ereignis überprüfen und es manuell binnen weniger Minuten lokalisieren. ShakeMaps und Momenttensoren sind auch für grössere Ereignisse verfügbar. Ein 3D-Geschwindigkeitsmodell wird verwendet, um die automatische Lokalisierung seismischer Ereignisse zu verbessern und den endgültigen Erdbebenkatalog zu erstellen.
Hochratige Wellenformdaten werden ständig im Standard-MiniSeed-Format archiviert. Ereignisinformationen und kontinuierliche Wellenformdaten, die vom SDSNet-Netzwerk geliefert werden, sind für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Das gesamte digitale Archiv wurde ebenfalls in dieses Format umgewandelt, einschliesslich der nur auf Ereignisse bezogenen Wellenformen aus der Zeit vor 1999 und des seit 1999 geführten vollständigen, lückenlosen Archivs. Der SED ist Teil des Europäischen Integrierten Datenarchivs (EIDA). Alle Daten können über Standard-Webdienste oder das interaktive EIDA-Portal abgerufen werden.
Die Wellenformdaten und Erdbebeninformationen aus der Schweiz werden in Echtzeit seismischen Netzwerken in den Nachbarländern (INGV in Italien, LED in Süddeutschland (Baden-Württemberg), ISTerre in Frankreich und ZAMG in Österreich) sowie verschiedenen Stellen in Europa und der Welt (ORFEUS, GFZ, IRIS, EMSC) zur Verfügung gestellt.