Induced Earthquakes Basel
Die Schweiz liegt in einer tektonisch aktiven Region. Der Schweizerische Erdbebendienst zeichnet jedes Jahr 1'000 bis 1'500 Erdbeben auf, wovon typischerweise zehn bis zwanzig von der Bevölkerung verspürt werden. Doch nicht alle diese Erschütterungen sind natürlichen Ursprungs, manche werden von Menschen ausgelöst. Die Wissenschaft spricht in diesem Fall von "induzierten Erdbeben" beziehungsweise "induzierter Seismizität". Induzierte, menschgemachte Erdbeben sind im Prinzip Erdbeben wie alle anderen. Auch sie entstehen durch einen plötzlichen Spannungsabbau entlang von Brüchen in der Erdkruste. Die dabei freiwerdende seismische Energie breitet sich in Form von Wellen durch die Erde und entlang der Erdoberfläche aus und verursacht die als Beben wahrgenommenen Erschütterungen. Induzierte Erdbeben lassen sich auch aufgrund ihrer physikalischen Charakteristiken nicht von natürlichen Erdbeben unterscheiden.
Induzierte Seismizität wird oft durch grössere technische Eingriffe im Untergrund verursacht. Menschgemachte Erdbeben wurden bereits vor mehr als 100 Jahren im Zusammenhang mit dem Kohlebergbau etwa in Deutschland oder England beobachtet. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Erdbeben sehr klein und an der Oberfläche nicht oder kaum spürbar. Weltweit verursachten induzierte Erdbeben in einigen Fällen substantielle wirtschaftliche Verluste, führten aber nur zu wenigen Verletzten und zu noch weniger oder keinen Todesopfern.
In der Schweiz sind menschgemachte Beben hauptsächlich im Zusammenhang mit Geothermieprojekten bekannt. In Basel löste unter hohem Druck in den Untergrund eingepresstes Wasser im Jahr 2006 ein Erdbeben mit einer Magnitude von 3.4 aus. 2013 ereignete sich bei St. Gallen ein Magnitude 3.5 Beben. Aber auch im Zusammenhang mit Tunnelarbeiten oder durch das Aufstauen von Stauseen wurden in der Schweiz schon induzierte Erdbeben beobachtet.
Eine grosse Herausforderung sowohl bei internationalen als auch den Geothermieprojekten in Basel (2006) oder St. Gallen (2013) liegt somit in der damit einhergehenden induzierten Seismizität. Im Fokus steht daher die Frage, wie die für ein funktionierendes Geothermieprojekt nötige Gesteinsdurchlässigkeit erzeugt werden kann, ohne grössere Erschütterungen zu verursachen.
Verschiedene Faktoren beeinflussen, wie häufig induzierte Beben im Rahmen eines Geothermieprojekts auftreten.
Je grösser das Volumen des Gesteins ist, das von den Spannungsänderungen betroffen ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Erdbeben kommt. Dies ist ein übergeordneter geometrischer Effekt. Die Frage, ob die grösstmögliche Erdbebenstärke ebenfalls vom betroffenen Volumen oder von der Störzone abhängt, ist heute Gegenstand von Diskussionen (Baisch et al., 2010a; Gischig und Wiemer, 2013; McGarr, 2014).
In einem idealen geschlossenen System erreicht der Betrieb ein konstantes Niveau, und die Porendruckänderungen werden auf ein bestimmtes Volumen begrenzt. Die seismische Aktivität in solchen Systemen sollte mit der Zeit abnehmen (Soultz). In offenen Systemen steigt der Druck bzw. die Beanspruchung mit der Zeit, und die seismische Aktivität ist unter solchen Bedingungen unbeständiger. Wenn die Druck-/ Beanspruchungsveränderungen kritisch beanspruchte Stellen erreichen, ist eine plötzliche Zunahme möglich. Die seismische Aktivität kann unter solchen Voraussetzungen unregelmässig sein (Landau), über die Zeit zunehmen (Erdgasfeld Groningen) oder sich mehr oder weniger konstant verhalten (Paradox Valley).
Es wird angenommen, dass tiefere Systeme aufgrund des Festigkeitsprofils der Erdkruste zu mehr induzierten Erdbeben führen: Die Differenzspannungen nehmen mit der Tiefe zu, und Erdbeben sind in den obersten 1 bis 3 Kilometern der Erdkruste weniger häufig. Modelle lassen darauf schliessen, dass die Zunahme der Erdbebenaktivität aufgrund dieses Anstiegs den geometrischen Effekt der Abnahme von Bodenbewegungen mit der Distanz aufhebt (Gischig und Wiemer, 2013). Allerdings bestehen bislang erstaunlich wenig empirische Beweise, welche die Abhängigkeit von der Tiefe belegen.
In der Regel wird angenommen, dass kristalline Untergrundgesteine mit einer stärkeren Erdbebenaktivität verbunden sind als dies bei Sedimentgesteinen der Fall ist (Evans et al., 2012).
Die Annahme, dass Gebiete mit einer niedrigeren Erdbebenaktivität auch weniger stark mit hohen Niveaus an induzierter Seismizität oder niedrigeren maximalen Magnituden reagieren, ist rein intuitiv. Evans et al. (2012) vermuteten, gestützt auf eine europäische Datensammlung, dass weniger gefährdete Regionen (willkürlich definiert als Gebiete mit maximalen Bodenbeschleunigungswerten [Peak Ground Acceleration, PGA] von < 0,08) in der Tat auch mit niedrigeren gemessenen maximalen Magnituden verbunden sind. Um diese potenziell wichtige Beziehung eingehender zu untersuchen, aktualisierten wir die Datenbank von Evans et al. (2012), indem wir aussereuropäische Daten hinzufügten. Wie in Abbildung 114 dargestellt, zeigen diese zusätzlichen Daten, dass die Hypothese, dass Regionen mit niedrigen PGA-Werten zu weniger Beben der maximalen Magnitude führen, nicht Bestand hat.
Abbildung 114: Zusammenhang zwischen der erwarteten maximalen gemessenen Magnitude und der lokalen maximalen Bodenbeschleunigung (in Prozent der Erdbeschleunigung), die mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 % innerhalb von 50 Jahren übertroffen wird (Quelle: Global Seismic Hazard Map). Der Datensatz ist eine Erweiterung der Daten von Evans et al. (2012). Die Injektionstiefe wurde mit verschiedenen Farben und das injizierte Volumen mit verschiedenen Symbolgrössen gekennzeichnet.
Im Allgemeinen ist die Wahrscheinlichkeit induzierter Erdbeben umso höher, je höher die (Differenz-)Porendruckänderungen sind, denen der Untergrund ausgesetzt ist, und je schneller diese Änderungen erfolgen. Die seismische Aktivität setzt oft erst ein, wenn die Druckveränderungen eine bestimmte Schwelle überschritten haben. Es ist jedoch bekannt, dass Störungen grossen Ausmasses durch sehr geringe Änderungen des Porendrucks ausgelöst werden können (zum Beispiel Rothert et al., 2003).
Der gegebene Spannungszustand eines Ortes spielt eindeutig eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der seismischen Aktivität des Untergrunds. Die vorbestehende Beanspruchung einer vorbestehenden Störung stellt eine Voraussetzung für die Anwendung von Hydroshearing dar. In Gebieten, in denen die Spannungsbedingungen nahe dem lithostatischen Druck sind (σ1 ≈ σ2 ≈ σ 3), ist die Wahrscheinlichkeit stärkerer induzierter Erdbeben signifikant niedriger. Ebenso wichtig sind die Komplexität und Heterogenität des Störungsbereichs und das Kluftnetzwerk, die vor dem Bohren jedoch oft nicht hinlänglich bekannt sind.
Injektionen in der Nähe von bekannten aktiven Störungssystemen erhöhen die Wahrscheinlichkeit induzierter Erdbeben markant. Bei einigen Anwendungen wie beispielsweise der Abwasserentsorgung lautet die Daumenregel daher «Fernhalten von aktiven Störungssystemen» (Zoback et al., 2012).
In Gebieten, in denen sich der Wert für die relative Erdbebenstärkeverteilung natürlicher Erdbeben (b-Wert des Gutenberg-Richter-Gesetzes) in höhere Bereiche (b > 1) verschiebt, könnte es auch zu einer geringeren Zahl grösserer induzierter Beben und einer grösseren Zahl von kleineren Beben kommen. Gischig et al. (in Ausarbeitung) geht davon aus, dass es sich dabei um günstige Bedingungen für die Errichtung eines geothermischen Reservoirs mit einer akzeptablen seismischen Gefährdung handelt. Vulkanische oder geothermische Regionen wie GEISER (Geothermal Engineering Integrating Mitigation of Induced Seismicity in Reservoirs), Taupo oder Teile Islands zeichnen sich typischerweise durch hohe b-Werte und flachere Reservoirs bei niedrigerer Spannung aus, was möglicherweise erklärt, weshalb diese weniger Probleme mit induzierten Erdbeben verzeichneten, obwohl die Reservoirs jahrelang in Betrieb waren.
Die Wahrscheinlichkeit potenziell schädlicher Ereignisse nimmt ab, wenn Ampelsysteme konservativ eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Unterbrechungsschwellen niedriger angesetzt und somit Injektionen früher unterbrochen werden. Allerdings haben konservativere Ampelsysteme einen grossen Einfluss auf den kommerziellen Erfolg der Projekte.