05.06.2019

Rasche Massenbewegungen mit Seismometern überwachen

Oberhalb von Susten (VS) gräbt sich ein Bach durch eine faszinierende geologische Formation genannt «Illgraben». An den steilen Hängen der Schlucht lösen sich andauernd kleinere und grössere Gesteinsmassen. Mehrere Male pro Jahr, meist in Folge von Niederschlägen, vermengen sich diese zu einem breiartigen Gemenge aus Steinen, Schlamm und Wasser. Diese Murgänge reissen auch grosse Gesteinsblöcken aus Kalk und Quarzit mit und bewegen sich rasant talabwärts bis in den Fluss «Rotten». Am Illgraben entstehen normalerweise keine Schäden. An anderen Orten verschieben Murgänge in Extremfällen aber Millionen von Kubikmetern Gestein über mehrere Kilometer. Treffen sie auf Verkehrswege oder Siedlungen, wie dies beispielsweise beim Murgang am Pizzo Cengalo 2017 der Fall war, können die Auswirkungen verheerend sein. Ausgeklügelte Messsysteme helfen dabei, solche Prozesse besser zu verstehen oder gar vorherzusagen. Am Illgraben untersuchen dies Forschende des Schweizerischen Erdbebendienstes, des Instituts für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich sowie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Grosse Massenbewegungen vorherzusagen, ist keine leichte Aufgabe. Die Anzeichen für ein drohendes Ereignis sind schwierig zu messen, die ursächlichen physikalischen Prozesse unzureichend verstanden und die betroffenen Gebiete oft nur schwer zugänglich. In abgelegenen alpinen Tälern ist es bereits schwer festzustellen, ob überhaupt ein Ereignis stattgefunden hat. Die räumliche und zeitliche Abdeckung von bestehenden Überwachungsmethoden ist dafür nicht ausreichend (z. B. Satelliten oder geodätische Instrumente). Lokale seismische Messnetzwerke bieten eine bisher wenig genutzte Alternative. Murgänge, Steinschläge oder Steinlawinen lösen Bodenbewegungen aus. Abhängig von der Grösse des Ereignisses können seismische Stationen diese auf mehrere Kilometer Entfernung und in selten Fällen sogar bis zu mehreren tausend Kilometern entfernt erfassen. Indem man das seismische Netzwerk lokal verdichtet und eine schnelle Datenübertragung sicherstellt, kann man gefährdete Gebiete besser überwachen und möglicherweise vor gefährlichen Massenbewegungen warnen. Seit 2017 betreibt der Schweizerische Erdbebendienst ein solches Netzwerk mit zusätzlichen Messgeräten zu Forschungszwecken im Illgraben. Die daraus gewonnenen Kenntnisse sollen dazu beitragen, Massenbewegungen künftig besser und zuverlässiger überwachen und vorhersagen zu können.

Mehr Informationen: Prof. Dr. Walter Fabian, VAW an der ETH Zürich.