28.09.2016

Am Anfang sind alle Erdbeben gleich

Erdbeben lassen sich bekanntlich nicht vorhersagen. Es besteht aber die Möglichkeit, mit Hilfe von Erdbebenfrühwarnsystemen weiter vom Epizentrum entfernte Gebiete zu warnen, sobald die seismischen Wellen von den ersten Messstationen aufgezeichnet und analysiert werden konnten. Ein Erdbebenbruch breitet sich mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3 Kilometern pro Sekunde entlang einer Verwerfung aus. Der Bruchprozess eines Magnitude 7 Bebens, der entlang einer Verwerfung mit einer Länge von etwa 50 km verläuft, benötigt ungefähr 20 Sekunden, um von einem Ende der Verwerfung ans andere zu gelangen.

Eine spannende und bislang offene Frage in der Seismologie ist dabei: „Weiss“ ein Beben, wenn es gerade erst 1 bis 2 Sekunden „alt“ ist, wie gross es einmal werden wird?

In einer kürzlich veröffentlichten Publikation sind Wissenschaftler des Caltech (California Institute of Technology) und des Schweizerischen Erdbebendienstes dieser Frage nachgegangen. Auf der Suche nach einer Antwort haben sie die seismischen Signale von über 3‘000 oberflächennahen Beben mit einer Magnitude von 4 oder mehr analysiert, die an seismischen Starkbebenstationen nahe des jeweiligen Epizentrums aufgezeichnet wurden (max. 25 km entfernt). Die Resultate zeigen, dass sich grosse und kleine Erdbeben am Anfang gleich entwickeln. Die finale Grösse eines Bebens lässt sich erst abschätzen, wenn der Bruchvorgang bereits weit fortgeschritten ist. Gemäss dieser Studie wird es also auch in Zukunft nicht möglich sein, bereits in den Anfängen eines Bebens dessen finale Bruchlänge und Magnitude vorherzusagen. Erdbebenfrühwarnsysteme werden demzufolge nie in der Lage sein, ganz zu Beginn eines Bebens das mögliche Schadensausmass abzuschätzen. Sie müssen stattdessen den Bruchverlauf in Echtzeit verfolgen, um die Warnstufe gegebenenfalls nach oben zu korrigieren, falls das Beben weiter wächst.

Link zur Kurzfassung: Research Spotlight „All Earthquakes Are Created Equal

Link zum Paper in Geophysical Research Letters: Men-Andrin Meier, Thomas Heaton & John Clinton „Evidence for universal earthquake rupture initiation behavior