04.11.2021
Felslabore im tiefen Untergrund, mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche, sind wichtige Forschungsinfrastrukturen für Erdwissenschaftlerinnen und Erdwissenschaftler weltweit. Sie ermöglichen es, geologische und physikalische Prozesse aus unmittelbarer Nähe unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen und in grossem Detail zu beobachten. Diese Vorteile von Felslaboren nutzt auch der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich für zahlreiche seiner wissenschaftlichen Aktivitäten. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Felslabors Mont Terri (JU), rücken wir diese Forschungsarbeiten in den Fokus.
Weiterlesen...Der SED sowie andere Forschungsgruppen des Departements für Erdwissenschaften der ETH Zürich sind langjähriger Partner des Mont-Terri-Felslabors, das sich von einer einst überschaubaren Forschungseinrichtung in einem Seitentunnel des Autobahntunnels zwischen St. Ursanne und Courgenay zu einer international anerkannten Institution entwickelt hat. Lag der Schwerpunkt des Mont-Terri-Labors in den Anfängen primär auf Untersuchungen zur Lagerung von radioaktiven Abfällen, rückten Forschungsarbeiten zur Speicherung von CO2 im Untergrund in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus. In diesem Gebiet engagiert sich auch der SED seit einigen Jahren als Teil des vom Bundesamt für Energie (BFE) und der EU finanzierten Forschungsprojektes «Elegancy». Ziel ist es, zu untersuchen, ob abgeschiedenes CO2 aus industrieller Produktion, etwa von Kehrichtverbrennungsanlagen oder der Atmosphäre, sicher und dauerhaft im tiefen Untergrund in der Schweiz oder an einem anderen Ort auf der Welt eingelagert werden kann. Weltweit sind bereits einige solcher «Carbon Capture and Storage» (CCS) Projekte in Betrieb. Eine der Herausforderungen dabei besteht darin sicherzustellen, dass das CO2 nicht durch Störungszonen (Bruchzonen im tiefen Untergrund) in der Deckschicht langsam an die Erdoberfläche wandert und so wieder in die Atmosphäre gelangen kann. Um dies auszuschliessen, müssen die physikalischen und chemischen Prozesse besser verstanden werden, die beeinflussen, ob und wie CO2 durch Störzonen entweichen könnte. Zudem soll untersucht werden, ob das eingepresste CO2 das Potential hat Mikroerdbeben auszulösen.
Forschende des SED haben dazu gemeinsam mit Partnerinstitutionen wenige Liter mit CO2 angereichertem Salzwasser über mehrere Monate hinweg mit wechselndem Druck in eine Störzone im Opalinuston injiziert, und dabei mit geophysikalischen und geochemischen Messsensoren genau überwacht, was im Gestein passiert. Der Opalinuston ist im Prinzip eine ideale Deckschicht für ein CO2-Lager, weil er eine extrem niedrige Wasserdurchlässigkeit hat. Bislang war aber nicht klar, ob CO2 durch Störzonen im Ton wandern kann. Erste Ergebnisse der Untersuchungen im Mont Terri zeigen, dass das nahe der natürlichen Störzone injizierte CO2 wie erwartet aufsteigt. Es breitet sich dabei aber nicht nur entlang der Störzone aus, was der einfachste Weg wäre, sondern verteilt sich in einem komplexen Muster in der Umgebung und vermischt sich dabei mit dem bereits in der Störzone vorhanden CO2. Das CO2 wandert also nur sehr langsam Richtung Erdoberfläche. Zudem schwillt der Ton an, sobald er mit dem CO2-Salzwasser-Gemisch in Berührung kommt. Dies führt dazu, dass sich Risse wieder schliessen und sich keine Pfade für den CO2-Aufstieg formen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Opalinuston ein sehr effizientes Deckgestein ist und auch kein CO2 aus dem Reservoir über tausende Jahre entweichen würde. Mittelfristig wird das CO2 in das Gestein eingebunden beziehungsweise mineralisiert und ist dann permanent fixiert. Die Ergebnisse werden aktuell für wissenschaftliche Publikationen aufbereitet. Die Forschungsarbeiten im Mont-Terri-Felslabor leisten damit einen Beitrag zur Erreichung der UN-Klimaziele, bei denen sogenannte «negative Emissionen» mit Hilfe CCS eine wichtige Rolle spielen.
Ebenfalls in einem Tunnel tief im Untergrund betreibt die ETH Zürich ein Felslabor mit etwas anderem Schwerpunkt. Das «BedrettoLab» ist eine Forschungsinfrastruktur, die sich rund 1,5 Kilometer unter der Erdoberfläche und in der Mitte eines 5,2 Kilometer langen Tunnels befindet, der das Tessin mit dem Furka-Eisenbahntunnel verbindet. Im BedrettoLab betreiben verschiedene Wissenschaftsteams experimentelle Forschung. Ziel dieser Experimente ist es insbesondere neue Methoden zu entwickeln, um im tiefen Untergrund einen effizienten Wärmetauscher zu erzeugen, ohne dabei grössere spürbare oder gar schadenbringende Erdbeben auszulösen. Zudem wollen die Forschenden mit Absicht sehr schwache, für Menschen nicht spürbare Beben mit Magnituden von 0 bis 1 auslösen, damit sie den etwa 10 bis 30 Meter langen Bruchprozess aus wenigen Metern Entfernung beobachten können. Durch diese Experimente ergeben sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Geothermie und die Erdbebenphysik sowie neue Techniken und Sensoren, welche in diesem Bereich eingesetzt werden können. Der SED ist ein zentraler Forschungspartner des BedrettoLabs und verantwortlich für die seismische Überwachung aller Arbeiten.
Erste, wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Geothermie und induzierten Erdbeben sammelte der SED bereits vor der Eröffnung des BedrettoLabs in einem weiteren Felslabor in der Schweiz im Grimsel. Auf einer etwas kleineren Skala als im Bedrettotal untersuchten die Forschenden die Physik von induzierten Erdbeben, also Beben, die beispielsweise im Rahmen von Stimulationen bei tiefen Geothermieprojekten auftreten können. Die Untersuchungen in den Felslaboren werden durch kleinformatige Experimente mit Gesteinsproben im «Rock Physics and Mechanics Laboratory» an der ETH Zürich ergänzt. In diesem Labor können die Forschenden das Umfeld noch besser kontrollieren als direkt im Felsen. Um Forschung weiterzubringen sind Forschungslabore – egal ob im Felsen tief unter der Erdoberfläche oder in Gebäuden der ETH – für die Wissenschaft unerlässlich, um den komplexen Prozessen im Erdinnern auf die Spur zu kommen.