2023-02-06

[Available in DE] Schwere Erdbeben in der südlichen Zentraltürkei

(aktualisiert) Am Montag, den 6. Februar 2023 um 02:17 Uhr Schweizer Zeit hat sich in der Nähe der Stadt Gaziantep in der südlichen Zentraltürkei, rund 50 km nördlich  der syrischen Grenze, ein Erdbeben der Magnitude 7.8 ereignet. Dem Hauptbeben folgten bisher dutzende Nachbeben, die ebenfalls die Schadensschwelle erreichten. Darunter ein Beben der Magnitude 6.7, das sich 11 Minuten später ca. 30 km nördlich des Hauptbebens ereignete sowie ein Beben der Magnitude 7.5, welches am selben Tag um 11:47 Uhr auftrat. Nach ersten Erkenntnissen fand dieses starke Nachbeben auf der nach Westen abzweigenden Surgu-Verwerfung statt. Es vergrösserte den Schadensperimeter der Erdbebensequenz deutlich nach Nordwesten. Die Nachbeben-Tätigkeit wird – typischerweise mit abnehmender Intensität – voraussichtlich noch Wochen oder Monate anhalten, wobei auch mit weiteren Beben über der Schadensschwelle gerechnet werden muss. Es ist zudem nicht auszuschliessen, dass sich ein noch stärkeres Beben als das Hauptbeben ereignet, die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch sehr klein.

Die schweren Beben waren von Israel bis Kroatien spürbar und haben in einer Region von etwa 400 auf 300 km zu schweren Schäden geführt. Bis Dienstagmittag waren bereits über 5’000 Todesopfer und 25‘000 Verletzte bekannt, davon etwa zwei Drittel in der Türkei und ein Drittel in Syrien. Diese Zahlen werden voraussichtlich noch weiter ansteigen. 

Das Magnitude 7.8 Erdbeben hat in einer seismisch aktiven Region stattgefunden, in der sich die Anatolische, Arabische und Afrikanische Platte treffen. Nach bisherigen Erkenntnissen lag das Beben auf der vom Golf von Iskenderun in Richtung Nordosten verlaufenden Ostanatolischen Störung. Ein Beben dieser Grösse versetzt die Erdplatten entlang einer Verwerfung von 180 bis 200 km Länge um mehrere Meter. Der gesamte Bruchvorgang dauerte 30 bis 40 Sekunden, was eine Bruch-Fortpflanzungsgeschwindigkeit weit über Schallgeschwindigkeit ergibt. Die Bruchfläche reichte dabei von einer Tiefe von rund 20 km bis an die Erdoberfläche. Das Beben von letzter Nacht ist eines der stärksten bekannten Beben in der Region. Die bisher grössten historischen Beben mit Magnituden von ungefähr 7 haben in den Jahren 1138 und 1822 die Stadt Aleppo in Syrien komplett verwüstet. Das Beben von 1822 forderte einige zehntausend Todesopfer. Seit 1970 blieb es in der Region verhältnismässig ruhig mit nur drei Beben mit Magnituden von 6 oder mehr. Das grösste davon erschütterte die Region am 24. Januar 2020 mit einer Magnitude von 6.7.

Die ersten Wellen (P-Wellen) der Beben in der Südosttürkei trafen mit einer Verzögerung von gut 5 Minuten in der Schweiz ein, die stärkeren, aber langsameren Oberflächenwellen legten die 2’700 km in etwa einer Viertelstunde zurück. Beim Hauptbeben von Montagnacht wurde die Erdoberfläche in der Schweiz um bis zu einem Zentimeter vertikal ausgelenkt – vergleichbar mit den Bodenbewegungen, die hierzulande nach dem Magnitude 9.2 Beben von Tohoku (Japan) im Jahr 2011 registriert wurden. Allerdings treffen in so grossem Abstand vom Erdbebenherd nur noch langperiodische Wellen ein: Das heisst, die Bodenoberfläche bewegt sich innerhalb von etwa zwei Minuten erst  einen Zentimeter nach oben und dann wieder nach unten. Das ist mit geeigneten Seismometern deutlich messbar und kann zur Lokalisierung des Erdbebens wie auch zur Magnitudenbestimmung verwendet werden. Für uns Menschen sind diese Wellen aber weder spürbar noch haben sie irgendwelche Schadensfolgen.