Starkbebenseismologie und Standorteinflüsse

Um die seismische Gefährdungsanalyse in der Schweiz zu verbessern, erneuert und erweitert der SED bis 2019 das Starkbebenmessnetz. Mittels geophysikalischer und geotechnischer Messungen werden die Eigenschaften des lokalen Untergrundes jeder Station bestimmt, was es uns erlaubt, die beobachteten Erdbebenaufzeichnungen zu interpretieren. Für diese Messungen wurden spezielle Verfahren entwickelt, u.a. basierend auf der Analyse der seismischen Bodenunruhe.

Bild: Konzept für eine Freifeld-Installation
Starkbebenseismologie und Standorteinflüsse

Erneuerung des Starkbebennetzes

Der Bundesrat hat die Finanzierung von 100 neuen Starkbebenmessstationen (Projekt Renewal of the Swiss Strong Motion Network) bewilligt. Dieses Messnetz wird über weitere Projekte, z. B. in der Region Basel oder in Liechtenstein, zusätzlich erweitert und dient der Aufzeichnung starker Erdbeben (ab Magnitude 2.5). Die Stationen werden in Gebieten mit erhöhtem seismischem Risiko gebaut, insbesondere in den grossen Agglomerationen und Gebieten mit historischen Schadenbeben. An einigen Standorten mit erwarteter Bodenverflüssigung werden auch Instrumente in tiefen Bohrlöchern platziert, um numerische Modelle zu kalibrieren.

Die Messwerte liefern Informationen über den lokalen Untergrund und dienen damit der seismischen Gefährdungsanalyse. Verstärkungseffekte werden nach jedem Erdbeben berechnet. Die Daten werden zur Mikrozonierung und zur Überprüfung numerischer Modelle verwendet.

Im Falle eines Erdbebens können aus den Echtzeit-Daten Boden-Erschütterungskarten (ShakeMaps) erstellt werden, die zur Abschätzung der Schäden dienen und die Rettungskräfte vorbereiten helfen. Die Daten sollen auch Seismologen, Ingenieuren und Versicherungen als Grundlage zur Ereignisbewertung und zur Anpassung bestehender Baunormen dienen.

Einfluss des lokalen Untergrunds und Messung der Eigenschaften

In weichen Böden wie z.B. in Flusstälern erfahren seismische Wellen eine Verstärkung, die im Vergleich zu Felsstandorten einen Faktor von zehn übersteigen kann. Bestimmte wassergesättigte Böden können sich auch verflüssigen und verlieren dann ihre Tragfähigkeit.

Bei der Standortwahl der Stationen werden die Geologie und mögliche Störquellen sowie die Variabilität des Untergrundes im Zielgebiet untersucht. Am Standort werden die Resonanzfrequenz des Untergrundes und das S-Wellenprofil mit passiven seismischen Methoden bestimmt. Bei stark variierenden Untergrundeigenschaften werden auch aktive seismische Messverfahren angewandt. Standorte mit erwarteten nichtlinearen Eigenschaften wie Bodenverflüssigung werden zudem durch geotechnische Methoden wie CPT untersucht. Die Kenntnis der lokalen Geologie und des Wellenfeldes an den Stationsstandorten sind wichtig, um die Daten der Messstationen optimal für die Gefährdungsanalyse nutzen zu können.

Neue Messverfahren zur Standortbeurteilung

Wichtige Grössen zur Beurteilung eines Standortes sind die Scherwellengeschwindigkeit im Untergrund, die Mächtigkeit und Zusammensetzung der Lockersedimente, der Grundwasserspiegel sowie die Topografie der Felsoberfläche und des Geländes. Sie beeinflussen das Wellenverhalten und sind für Verstärkungsphänomene im Falle von Erdbeben verantwortlich.

Am wichtigsten für die Gefährdungsanalyse sind die Resonanzfrequenz der Lockersedimente und das Scherwellengeschwindigkeitsprofil im Untergrund. Diese Eigenschaften können durch aktive Methoden wie Reflexions- oder Refraktionsseismik oder durch passive Messungen der Bodenunruhe bestimmt werden, die unter anderem durch Meeresbrandung, Winde oder menschliche Aktivitäten erzeugt wird. Da in städtischen Gebieten aktive Methoden oft nicht durchgeführt werden können, haben passive Methoden dort eine besondere Bedeutung. Beim SED wurden in der Vergangenheit bereits verschiedene Messverfahren entwickelt. Auch in Zukunft werden neue Methoden entwickelt, um mit Hilfe der natürlichen Bodenunruhe die Scherwellengeschwindigkeitsprofile in dicht besiedelten Gebieten bestimmen zu können.